Der alte Mann und die Großgemeinden

 

Rolf Müller

 

In unserer Zeit ist das Streben nach Größe angesagt. Was groß ist, ist gut. Die Welt strebt nach größerem Wohlstand und nach größerem Erfolg auf allen Gebieten. In unserer Gesellschaft wird dieses Trachten nach Größe stark betont. Zahlen zählen. Man kann sich gar nicht mehr vorstellen, dass kleiner vielleicht besser sein könnte.

 

Auch in christlichen Gemeinden hat das Denken in immer größeren Kategorien Eingang gefunden. Ist die Devise „je größer desto besser“ wirklich richtig? Ist das Gottes Ziel mit seiner Gemeinde?

 

Dem alten Mann ist aufgefallen, dass in der Bibel andere Prinzipien gelten. Klein siegt gegen Groß, David besiegt  Goliath. Vor der Sintflut wurden nur 8 Menschen gerettet. Bevor Gideons Heer siegen konnte, wurde es von 32000 auf 300 Soldaten reduziert. Der Herr Jesus wählte 12 Jünger, keine 12000. In der Schrift liegt die Betonung mehr auf Qualität statt auf Quantität. Der Herr Jesus spricht von einer kleinen Herde, die das Reich erben wird. 

 

Der Erfolg einer Gemeinde hängt nicht von der Zahl ihrer Mitglieder ab, sondern von ihrer Heiligkeit. Je größer eine Gemeinde, desto schwieriger ist es für die Leitung, sich um die Einzelnen zu kümmern. Die Gläubigen kennen sich kaum noch. Eine Ansammlung von Fremden oder bestenfalls von Bekannten ist aber im tiefsten Wortsinn eigentlich keine echte Gemeinde.

 

Der alte Mann hat gemerkt, wenn hohe Mitgliederzahlen das höchste Ziel einer Gemeinde sind, besteht die Gefahr, dass das Evangelium abgeschwächt wird. Die Anforderungen der Bibel werden entschärft. Die Heiligkeit wird vernachlässigt. Eine Gemeindezucht findet nicht statt. Man neigt dazu, viele Dinge „anders“ zu sehen, damit man keine Mitglieder verliert.

 

Der alte Mann weist darauf hin, dass es nichts Positives ist, wenn die geringe Besucherzahl einer Gemeinde das Ergebnis von vernachlässigter Evangelisation ist. Auch Gleichgültigkeit und anderes Versagen kann ein Grund für Lauheit und den Mitgliederschwund sein. Das ist alles andere als ein Ruhmesblatt. Eine Gemeinde hat keinen Grund, stolz zu sein, wenn sie schrumpft. Sie muss sich fragen, was den Segen Gottes hindert. Sie muss sich prüfen, ob sie die erste Liebe verlassen hat. Auch eine kleine Gemeinde soll eine wachsende Gemeinde sein. Das gelingt, wenn sie ihr Augenmerk nicht auf die Menge, sondern auf den Herrn richtet.

 

Trotzdem möchte der alte Mann sich noch einmal mit den „Großgemeinden“ beschäftigen. Man argumentiert, dass eine „Megagemeinde“  eine größere gesellschaftliche Akzeptanz habe. Sie habe eine größere missionarische Ausstrahlung und die Qualität der Lehre sei besser. Können diese Argumente aus der Bibel begründet werden?

 

Der alte Mann behauptet, dass wir durch unser Streben nach Größe verrückt geworden sind. Alles wird daran gemessen, wie groß oder laut es ist. Alles muss gigantisch sein. Die Christen muss man im Gottesdienst vor allem unterhalten. Das Licht der Wahrheit wird verdunkelt. Die Treue zu Christus nimmt ab. Sind das Kennzeichen einer biblischen Gemeinde?

 

Der alte Mann weiß, dass es bei Gott keine unbedeutenden Leute gibt, auch keine unbedeutenden Gemeinden. Alle brauchen Jesus Christus. Trotzdem jagt man nach großen Zahlen. Man meint, Erfolg drücke sich in großen Zahlen aus. Das ist eine Krankheit unseres Jahrhunderts. Wir neigen dazu, große Gemeinden zu bewundern und kleine Gemeinden zu verachten. Gott sagt nichts davon, dass Größe und Kraft das Gleiche sind.

 

Gottes Strategie hängt nicht von großen Zahlen ab. Wir zählen die Gottesdienstbesucher, Gott zählt die Herzen. Jesus Christus hat immer lieber mit einer Minderheit von entschlossenen Seelen gearbeitet als mit einer großen Mehrheit von lauen und von wetterwendischen Leuten. Unsere Augen sollen nicht auf die Menge, sondern auf den Herrn gerichtet sein. Eine kleine treue und geistliche Gemeinde ist besser als eine große, träge Gemeinde ohne Prinzipien.

 

Wir glauben seinem Worte,

wir baun auf seine Treu. 

Er macht an jedem Orte 

sein armes Häuflein frei;

 

er führts auf rechter Straßen

zu seines Namens Ruhm; 

er kann uns nicht verlassen,

wir sind sein Eigentum.

 

(Friedrich Weyermüller).