Die große Warnung vor den Irrwegen

Ich ermahne euch, liebe Brüder, haltet das Wort der Ermahnung zuguteHebr. 13, 22

 

Solange der Mensch ein demütiger, gehorsamer Jünger dem Wort Gottes gegenüber bleibt und den ganzen Willen und Ratschluss Gottes zu unserer Seligkeit hören und befolgen will, wird der Heilige Geist stets Sein angefangenes gutes Werk in ihm vollbringen und fernerhin das aufdecken, was noch verborgen sein mag, und das berichtigen, was unrichtig ist. Der Zustand aber, der sich nicht gern helfen lässt, tritt ein, wenn der Mensch es gerade zu seinem Grundsatz macht, das Wort, das Bestrafungen und Ermahnungen enthält, nicht anzunehmen, sondern eine gewisse Auswahl aus dem Worte Gottes zu treffen und dabei weder zu hören noch zu beachten, was das Fleisch und die Sünde angreift.

 

Es ist wohl wahr: Man muss den Unterschied machen, dass man nicht in demselben Augenblick, in dem man Christus umfasst, auch den Fluch und das Urteil des Gesetzes im Gewissen umfasst; denn diese kommen nie zusammen. Wer Christus hat, wer seine Gerechtigkeit nur in Ihm sucht oder glaubt, der ist frei von allem Fluch des Gesetzes und muss sich beständig daran halten, denn sonst verspottet oder verachtet er das Blut Christi und alle Verheißungen Gottes.

 

Es geht hier also um die Frage, wie wir vor Gott bestehen.

 

Was dagegen unseren Wandel hier auf Erden betrifft, so können wir nie genug Ermahnungen, Bestrafungen und Aufmunterungen erhalten; und solche müssen wir dann gern annehmen und uns im Werk und in der Tat danach richten, sofern wir Christen sein wollen. Es gibt Menschen, die neben dem Sinn, dass sie dem Fleisch und dem Wandel nach frei sein wollen, es auch zu ihrem Grundsatz machen, sich nur die Worte auszuwählen, die lieblich und wohl lauten, während sie die scheuen, die sie in ihren Sünden angreifen und beunruhigen.

 

Darauf folgt, dass sie das heilsame Wort der Ermahnung nicht dulden, sondern es für eine Gesetzeslehre halten, vor der sie als Gläubige fliehen müssen, und dass sie auch keine brüderliche Bestrafung und Warnung dulden, sich vielmehr dagegen auflehnen und sich und ihre Sünde verteidigen. Sie lassen sich vielleicht auch bei einem losen, unwirksamen und kraftlosen geistlichen Wissensbrunnen nieder, bei dem man sowohl gottesfürchtiger sein kann als die allgemeine Welt, als auch mit ihr in ganz gutem Einverständnis stehen und im alltäglichen Leben ihr gleich sein kann.

 

Diejenigen, die diesen Weg einschlagen, sind ganz verloren, sofern nicht ein besonderes Gnadenwunder Gottes geschieht. Denn sie verschanzen sich unausgesetzt hinter dem Grundsatz, den sie gefasst haben, so dass sie die Worte, die sie zurechtweisen wollen, nicht beachten. Sie scheuen das einzige Mittel, dass ihnen helfen würde, scheuen die gesunde Lehre und scheuen die Mühe einer gründlicheren Prüfung.

 

Es ist dies der breite Irrweg, auf dem zu allen Zeiten viele derjenigen gewandelt sind, die dem ersten Abweg gründlich entgingen, dem nämlich, danach zu trachten, unter dem Gesetz ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten, ja, viele, die wirklich zum Glaubensleben gekommen sind, wie viel mehr dann solche, die nicht recht bekehrt gewesen sind. Wie haben die Apostel zu ihrer Zeit doch vor diesen zwei Abwegen gewarnt!

 

Wie stark und laut klagt Luther über sie! „Seht an“, sagt er, „wie man sich allenthalben jetzt so närrisch zu dem Evangelium stellt, dass ich schier nicht weiß, ob ich mehr predigen soll oder nicht. Ich wollt schon längst haben aufgehört, wo ich nicht wüsste, dass es Christus auch also ergangen wäre. Denn wenn man predigt, dass es nicht in unserem Leben oder in den Werken stehe, sondern in Gottes Gaben, so will niemand etwas Gutes tun, will niemand züchtig leben oder gehorsam sein, sprechend, man verbietet gute Werke. Wenn man wiederum predigt von einem züchtigen, eingezogenen Leben, so will die Welt bald darauf fallen und eine Leiter gen Himmel bauen. Das will Gott dann nicht leiden. Es taugt nicht ein schändliches Leben, taugt auch nicht ein Wohlleben. Wie sollen wir Ihm denn tun? Welche allein sehen auf das scheinbarlich ehrbare Leben, denen wäre besser, dass sie Huren und Buben wären und im Kot lägen; und dennoch will Gott nicht, dass wir ein schändlich böses Leben führen. Darum musst du zusehen, dass du auf dem mittelsten Steige bleibst, weder zur linken noch zur rechten Seite wankst, sondern ein still, fein säuberliches Leben vor der Welt führst und kein Aufheben davon machst oder für besser hältst, denn ob du schläfst oder wachst. Und gleichwie ich nicht sage: Dadurch will ich den Himmel verdienen, also soll auch alles ehrbar und züchtig Leben frei dahin getan sein, dass niemand sage: Ich will von diesem oder jenem Werk selig werden.

 

Gern möchte ich solche Schüler haben, die wohl verstünden, was ein Christenleben ist; so findet man sie aber nirgends einerlei: Denn der andere Hauf, der will entweder gar zu roh sein, oder er will gar zu heilig sein. Wohlan, der es fassen kann, der fasse es. Wir können nicht mehr, denn dass wir’s in die Ohren bringen; Gott muss es fort in das Herze tragen.“

 

O es stehet mein Verlangen,

Liebster Jesu, nur nach Dir;

Lass mich treulich an Dir hangen,

Schenke Dich zu eigen mir.

Ob viel’ auch umkehrten zum größesten Haufen,

So will ich Dir dennoch in Liebe nachlaufen;

Denn Dein Wort, o Jesu, ist Leben und Geist;

 

Was ist wohl, das man nicht in Jesu geneußt?

Entnommen aus dem Buch von Mag. Olof Rosenius – ‘‘Tägliches Seelenbrot‘‘

(herausgegeben von LUTH. MISSIONSVEREIN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V. http://www.rosenius.de)