Kinder Gottes mit unverdienter Gnade

Der Magd Sohn soll nicht erben mit dem Sohne der FreienGal. 4,30

 

Gar viele sonst ganz erleuchtete Menschen wissen nicht, dass in der Christenheit zwei geistliche Reiche sind. Erstens gibt es ein Gesetzesreich, in dem man alles nach seinem eigenen Verdienst erhält, gemäß dem Wort des Apostels: „Dem, der mit Werken umgeht, wird der Lohn nicht aus Gnaden zugerechnet, sondern aus Pflicht.“ Dasselbe wollte auch Christus uns zeigen, als Er sagte, dass diejenigen, die den ganzen Tag gearbeitet und die volle Last und Hitze getragen hatten, keine Gnade erhielten, sondern nur ihren Lohn bekamen, weil sie mit Werken umgingen. Solche Leute werden im Galaterbrief Knechte und Sklaven, der Magd Söhne genannt, die nur das erhalten, was sie verdient haben.

Zweitens gibt es ein Gnadenreich, in dem es nie nach unserem Verdienst geht; vielmehr haben diejenigen, die da hineingehören, eine beständige Gnade. In ihren besseren und schlimmeren Stunden sind sie in demselben Gnadenstand aus der Tatsache, weil sie einen Bürgen haben, der für sie eintritt, dass sie nicht nach dem Gesetz gerichtet und keine Sünden ihnen zugerechnet werden. Von ihnen sagt Paulus: „Dem aber, der nicht mit Werken umgeht, glaubt aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet.“ David sagt: „Die Seligkeit ist des Menschen, welchem Gott die Gerechtigkeit ohne Zutun der Werke zurechnet“ - und dem Gott keine Sünde zurechnet. Sie werden im Galaterbrief Kinder, Söhne und Söhne der Freien genannt, die im Hause bleiben und das Erbe des Höchsten haben sollen.

 

Mit diesen Worten von den Knechten und Kindern im Hause, vor allem in dem vorbildlichen Hause Abrahams, hat Paulus darauf aufmerksam gemacht, wie Gott mitten in unseren Familienkreis ein so beredtes Bild Seiner Gnadenbeweise gestellt hat. Ist es nicht wahr, dass die Kinder im Hause in leiblicher Hinsicht in einem solchen Gnadenstand sind, dass sie nie etwas schuldig werden, wie viel sie auch täglich ausgeben und wie wenig sie auch arbeiten? Sie haben alles das, was sie brauchen, frei und umsonst. Sie erhalten Speise und Trank, ihre Kleider, ihre Pflege, ihre Erziehung.

 

Obwohl sie vielleicht nicht das Geringste erwerben, sondern nur verbrauchen, werden sie nie etwas schuldig. Und wenn sie viele Jahre hindurch das Gute empfangen haben, sollen sie schließlich auch noch das Erbe in Besitz nehmen. - Mit den Dienern im Hause, die durch schwere und treue Arbeit vielleicht alles das einbringen, wovon das Haus lebt, hält man Rechnung, so dass sie, wenn sie mehr als den vereinbarten Lohn empfangen haben, schließlich in Schuld stehen; das Haus aber zu erben, davon ist nie die Rede. Die Kinder aber, noch einmal sei es gesagt, werden trotz allem, was sie verbrauchen, obwohl sie nichts erwerben, nie etwas schuldig sein. Ist das nicht eine verwunderliche Regierung? Und woher kommt es, dass die Kinder nichts schuldig werden? Das kommt nur daher, weil man nie Rechnung mit ihnen hält.

Sie sind ja Kinder!“, sagt man. Wer hält wohl Rechnung mit den Kindern, solange sie vom Brot des Vaters leben oder noch auf Kindesfüßen stehen?“

Sieh da das Geheimnis des Reiches Gottes! Mit den Kindern wird nie Rechnung geführt. Unsere Schuld oder Schuldlosigkeit hängt nur davon ab, ob wir Knechte oder Kinder, der Magd Söhne oder Söhne der Freien sind. Schaue in deinem eigenen Familienkreis das wahre Bild des Gnadenreiches, das Bild, das die Schrift so oft anwendet. Geradeso wie mit deinen Kindern ist es mit denen, die in Christus sind und bei Gott auf Kindesfüßen leben. Sie erhalten keine Rechnung. Sie gehören zu denjenigen, denen Gott keine Sünde zurechnet. Sie leben von der Gnade aus dem Verdienst ihres erstgeborenen Bruders. Darum sind sie in einer beständigen Kindschaftsgnade.

 

Ja, es ist wahr! Die Schrift kann nicht umgestoßen werden, obwohl unsere unbeständigen und vom Gesetzessinn erfüllten Herzen diesen seligen Trost nicht behalten können.

 

So wahr die Schrift aber nicht lügt, so wahr ist dies mit allen Gläubigen der Fall.

 

Gott rechnet ihnen keine Sünde zur Verdammnis zu, weil sie Seine Kinder sind und sowohl in schlimmeren als auch in besseren Stunden in derselben Gnade bei Ihm stehen, wenn sie sich über erhaltene Kraft, etwas Gutes zu tun, freuen oder wenn sie sich über ihre Sünden und Torheiten ängstigen, so dass sie „vor Unruhe ihres Herzens heulen“. In derselben Gnade stehen sie, wenn sie „schmecken und sehen, wie freundlich der Herr ist“, wie wenn sie in langwieriger Dürre mit Wermut und Galle gespeist werden. Denn wäre es nicht so, sondern wären wir Gott in den Stunden wohlgefälliger, in denen wir die Gnade erhalten, frömmer und heiliger zu sein, außer der Gnade aber in den Stunden, in denen wir schwach sind und uns versehen, so käme die Gerechtigkeit durch das Gesetz, und Christus wäre vergeblich gestorben. Dann sind wir wahrlich in einem Reich der Werke, das über die Gnade herrscht, nicht aber in einem Gnadenreich, das über die Werke herrscht“. Wir leugnen nicht, dass dies die grässlichste Torheit für unsere Vernunft ist, da alles, was in uns ist, Gefühl, Vernunft und Gewissen, vom Gesetzessinn erfüllt ist.

 

Aber sollen wir ernstlich das glauben, was wir der Natur nach meinen und fühlen?

 

Das hieße ja vom Glauben abfallen.

 

Nein, das Gnadenreich, in dem keine Sünden zugerechnet werden, ist die Summe des ganzen Verdienstes Christi und aller Zeugnisse der Schrift darüber.

 

Gott sei gepriesen für Seine unaussprechliche Gabe!

 

Kommt her, ihr Menschenkinder,

Hier hat man’s ewig gut.

Kommt her, ihr armen Sünder,

 

Hier quillt das reiche Blut.

Entnommen aus dem Buch von Mag. Olof Rosenius – ‘‘Tägliches Seelenbrot‘‘

(herausgegeben von LUTH. MISSIONSVEREIN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V. http://www.rosenius.de)