Was ist der wahre Grund deiner Liebe zu Jesus?

Hast du Mich lieb? - Joh. 21, 16

 

Es ist der Herr, der hier redet, Er, der am Jüngsten Tage richten wird, den du im Gebet anrufst. Wir sollten doch, wenn es sein müsste, auf unseren Knien nach Jerusalem kriechen, um von Ihm selber zu hören, wonach Er zuerst fragt. Nun, zuerst fragt Er nach deiner Liebe. Warte noch mit der Antwort, bis du Seine Meinung wohl erfasst hast. Beachte! Seine erste Frage ist diese: „Hast du Mich lieb?“

 

Nicht: „Dienst du und gehorchst du Mir? Bekennst du Mich?“, sondern: „Liebst du?“ Zweitens sagt Er nicht: „Liebst du das Meine?“, sondern „Mich“. Er sagt nicht: „Liebst du Meine Kräfte und Gaben?“, sondern: „Liebst du Mich? — Mich als eine Gabe an dich, Mich in Meiner Person als deinen ganzen Trost und deine ganze Seligkeit?

 

Was das erste betrifft, so kannst du dessen sicher sein, dass du Liebe zu Jesus hast, wenn du Ihm dienst und gehorchst; denn Jesus sagt ja: „Wer Mich liebt, der wird Mein Wort halten; wer Mich nicht liebt, der hält Meine Worte nicht.“ Und Johannes sagt: „Das ist die Liebe zu Gott, dass wir Seine Gebote halten.“ Aber warte, du deutest es zu schnell. Wir werden bald sehen, dass es nicht sicher ist, dass du Jesus liebst, obwohl du in einer gewissen Weise Ihm dienst und gehorchst oder die Werke tust, die Er dir befiehlt. „Seine Gebote halten“ ist noch etwas mehr. Wir werden mit Christi eigenen Worten zeigen, dass man ein ausgezeichneter Diener Christi sein, große geistliche Erleuchtung und einen großen Reichtum an den herrlichsten Taten und großen Eifer für die Sache Christi haben kann, während man Ihn doch nicht recht liebt. In dem Brief an den „Engel der Gemeinde zu Ephesus“ sagt der Herr ausdrücklich, dass dieser Lehrer nicht nur eine allgemeine christliche Erleuchtung, sondern auch einen feinen, prüfenden Blick hatte — „du hast versucht die, so da sagen, sie seien Apostel, und sind es nicht, und hast sie als Lügner erfunden.“ Ferner sagt Er ausdrücklich, dass dieser Lehrer nicht unter denen sei, die nur Erkenntnis, Erleuchtung und Worte haben, sondern er hat auch Kraft und Eifer zu heiliger Wirksamkeit. Ja, er arbeitete so treu für den Namen des Herrn Christus, dass er deswegen leiden musste, und dabei hatte er „Geduld“. Drittens sagt der Herr, dass dieser Lehrer nicht nur erleuchtet und mit Predigen im Allgemeinen wirksam sei, sondern dass er in seiner Gemeinde auch gute Kirchenzucht geübt und falschen Lehren entgegengetreten sei.

Fasse nun das alles zusammen, und du wirst ein Bild von einem seltenen Diener Christi sehen; und doch — und doch hatte er die erste Liebe verlassen; nur dadurch war sein ganzer Zustand derart, dass, wenn keine Änderung geschähe, der Herr bald kommen und den Leuchter von seiner Stätte wegstoßen würde. Hieraus kannst du erkennen: „Seine Gebote halten“ ist etwas mehr, als gewisse Werke nach Seinen Geboten zu tun. Auch wenn du ein ebenso ausgezeichneter Diener Christi wärest, wie jener es war, hat der Herr doch noch eine Frage an dich: „Hast du Mich lieb?“

Was das letztere betrifft oder dass du auf das Wort „Mich“ achtgeben musst — „liebst du Mich, nicht das Meine?“ —, so unterscheidet sich gerade hierdurch die echte Brautliebe von der Hurenliebe. Viele haben eine gewisse Liebe zu Jesus nur wegen der vortrefflichen Dinge, die Er in ihnen und anderen wirkt, sind aber nie als verlorene Sünder von Ihm errettet und von Seiner bloßen Liebe oder von dem, was Er in Seiner Person ist, überzeugt worden. Sie lieben Ihn, wie gesagt wurde, wegen der schönen Gaben. Das heißt „Hurenliebe“. Wir reden nicht von so groben Leuten wie Judas Ischariot, der dem Herrn Jesus um des Beutels willen folgte, oder von dem Zauberer Simon, der sich aus derselben unreinen Begierde die Gaben des Heiligen Geistes erkaufen wollte, sondern wir reden von dem unheimlich feinen und geheimnisvollen Betrug unserer Selbstvergötterungsnatur, deren Grund durch das bezaubernde Wort der alten Schlange „Ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist“ gelegt wurde.

Denn seit der Zeit hat sich neben den sinnlichen Lüsten auch eine ebensolche adamitische Vergötterungsnatur gefunden, zu der der Mensch flieht, wenn er die Gräuel der Sünde empfindet. Wenn er dann wie der eben genannte Simon merkt, dass es im Namen Jesu Kräfte gibt wie sonst nicht, dass in Ihm alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis, die Kräfte zu allen Tugenden und heiligen Werken verborgen liegen, wirft er sich auf diese, wird ein Jünger Jesu, liebt Ihn und folgt Ihm, betet und ruft Ihn an, alles aber mit dem Blick auf diese Kräfte und Gaben und nicht um deswillen, was Er getan hat und was Er in Seiner Person ist.

Was Er in Seiner Person ist und was Er getan hat, kann man mit dem Verstande erkennen und mit dem Munde preisen; aber das Herz sieht nach den Gaben, der ganze Blick der Seele ist nur auf diese, nicht auf den Gekreuzigten gerichtet.

Ach dass wir doch um des Herrn willen und wegen der Errettung unserer Seele so aufrichtig würden, dass wir darauf achtgäben, was der Gegenstand des Herzens ist — ob es die Gnade, die Versöhnungsgnade, das Waschen im Blute Jesu ist! Es hilft nichts, dass der Kopf und die Zunge christlich sind!

Denke nach, was das Erste und das Letzte deines Herzens ist.

Alle Deine Gaben

Können mich zwar laben;

Aber keine, Jesu Christ,

Ist mir, was Du selber bist! 

 

aus dem „Täglichen Seelenbrot“ von Carl Olof Rosenius.