Zeige mir Gott, deinen Willen!
Hilf mir, deinen Willen zu tun!

Dein Wille geschehe!   Luk.11,2

 

Diese Bitte setzt ein Gott den Herrn liebendes Herz voraus, das nur auf das Wohlgefallen Gottes blickt.

 

Sie fordert das Herz eines guten Kindes, das „keinen Willen hat“, sondern nur den Willen des Vaters will, und das keines weiteren Grundes bedarf, als dass es das Wohlgefallen des Vaters ist. Man kann etwas Gutes, Edles, Nützliches, Notwendiges lieben, und doch ist das nicht dasselbe wie den Willen Gottes zu lieben. Denn es genügt nicht, dass wir dieselben Gegenstände lieben, die Gott liebt, sondern wir sollen Sein eigentliches Wohlgefallen lieben, ohne Rücksicht auf die Sache, die Er will. Wir sollen Ihn also lieben und um Seines Wohlgefallens willen alles das lieben, was Er will, auch wenn es uns noch so arg und schwer erscheinen mag. Als Abraham den Befehl erhielt, seinen Isaak, „den Sohn der Verheißung“, zu opfern, konnte er unmöglich einen Grund dafür einsehen, und doch tat er es - nur wegen des Willens Gottes. Und nun fordert die dritte Bitte, dass wir einen solchen Willen Gottes nicht nur ertragen, sondern ihn auch so lieben sollen, dass wir um denselben bitten. Wir dürfen nämlich nie vergessen, dass das Gebet Herzenssache sein muss, nicht ein Werk des Verstandes oder des Befehls, sondern das Begehren und Verlangen des Herzens.

 

Wenn nun der Wille Gottes Tod und Kreuzigung des alten Adams ist und wenn zudem alle Menschennatur frei sein will und ihren eigenen Willen liebt, dann muss man wohl fragen: „Wie kann ein Mensch ein solches Herz erhalten, das den Willen Gottes so liebt, dass man wirklich um ihn bittet?“ - Ein solches Herz erhält man nie - ob man sich auch dafür zu Tode plagt - als nur durch eine Neugeburt aus Gott. Wenn ein Mensch von seiner eigenen Bosheit und den heiligen Forderungen des Gesetzes ganz ermüdet ist und endlich als ganz unwürdig von der großen, unverdienten Gnade überwältigt wird, so dass er ausruft: „O Jesus, das ist zu viel“; wenn er in Seinem Blut seine ganze Reinigung, in Seiner Liebe seine ganze Seligkeit erhält, wenn Gottes Liebe also in sein Herz ausgegossen ist, dann wird ihm auch Gottes Wohlgefallen köstlicher sein als alles, was gedacht oder genannt werden kann. Dann wird die erste Frage des Herzens die sein: „Was kann ich Dir zu Gefallen tun, Du unvergleichlicher Heiland? O dass ich nur den Willen Gottes tun möchte!“ Und dann weiß man nichts anderes als nur das, was der himmlische Vater will. Dann kennt man kein größeres Übel als sein eigenes Herz und spricht in vollem Ernst: „Töte Du, o Gott, meinen Willen, ich kann ihn nicht töten!“ Betet man so gegen sich selber, dann betet man um den Willen Gottes. - Wenn ich also von der Bosheit meines eigenen Willens ermüdet und alsdann durchdrungen bin von Gottes Größe, so dass Sein Wille mir mehr als meine Seligkeit gilt, durchdrungen von Seiner Liebe und Leutseligkeit, so dass alles wohl ist, wenn nur Sein Wille geschieht, dann habe ich ein solches Herz, das wirklich den Willen Gottes liebt.

 

Hier muss nun ein jeder seinen eigenen Zustand genau beachten! Hier haben wir ein Stück, das das Innerste unseres Herzens offenbart, und wir erinnern noch einmal daran, dass das Gebet Ausdruck der eigenen Fürsorge, Sehnsucht und Angelegenheit des Herzens sein muss. Nicht jeder wird diese Bitte beten können. Wir reden hier nicht von dem großen Haufen, der ganz frei „nach den Begierden des Fleisches“ lebt. Es gibt noch andere Menschen, die diese Bitte nicht recht beten können. Du, der du dieses liest, halte nur einen Augenblick still vor dem Angesicht Gottes, vor den Augen, die das Herz, die Gedanken und Absichten durchschauen. Wie steht es mit dir in dieser Beziehung? Du kannst dir wohl selber bewusst sein, ob du mit solcher Fürsorge, solchen Seufzern und Gebeten umzugehen pflegst wie diese: „Zeige mir, Gott, Deinen Willen! Hilf mir, Deinen Willen zu tun!“ Denn es ist ja unmöglich, dass der Heilige Geist in einem Herzen wohnen kann, ohne solche Sorgen in ihm zu erregen.

 

Ein Christ kann zwar oft so zerstreut über die Bitte „Dein Wille geschehe“ hinweggehen, dass er ihr nicht einmal mit den Gedanken folgt; und doch ist dieses immer wieder sein Herzensgebet: „Gott, mein Vater, mein Heiland, hilf mir, dass ich Deinen Willen tue! Hilf mir gegen meine grässliche Trägheit! Gib mir Deines Heiligen Geistes Trieb und Kraft, Deinen Willen zu tun; und weise mir, Herr, Deinen Weg, dass ich wandle in Deiner Wahrheit!“ Eben das ist ganz bezeichnend für ein Herz, in dem der Heilige Geist wohnt, und ein Teil dessen, was die Kinder des neuen Bundes auszeichnen sollte und wovon der Herr spricht: „Ich will Mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben.“ „Das Gesetz Gottes“ ist ja der Wille Gottes. Ob es nun in Herz und Sinn geschrieben ist, erkennt man daran, ob das Herz den Willen Gottes liebt und ob ich einen Sinn habe, der innig seufzt: „Ach dass ich Dein Gesetz von ganzem Herzen halten könnte! Ach dass ich Gottes Willen tun könnte!“

Wir sagen nicht, dass ein Christ ein vollkommener Mensch ist. Es findet sich in seinem inneren Leben und in seinem äußeren Wandel viel, was recht gebrechlich ist; auch kann er gegen seine Unarten nicht so wachen, beten und streiten, wie er sollte und wollte.

 

Es gibt kein Volk, das so viele Mängel kennt wie gerade die Gläubigen.

 

Beachte aber trotzdem! Wenn ein Christ versteht, dass dies oder jenes Gottes Wille ist, dann ist das sogleich sein Lebensgesetz, und dann will er es auch vollführen.

 

Und wenn das Fleisch jetzt gegen den Geist streitet, dann entsteht Gebet, entsteht der Kampf und das Gebet um den Willen Gottes. Wir müssen darum unbedingt daran festhalten, dass jeder Christ ein solches Herz und einen solchen Sinn haben muss.

 

Aus dem ‘‘Täglichen Seelenbrot‘‘ von Olaf Rosenius

 

 

 

 

Zum 16. Juli ( Wir sind nur Verwalter! )

 

Unser tägliches Brot gib uns heute! Mat. 6,11

 

Das Wort, das hier mit „täglich“ übersetzt wurde, ist im Grundtext ein doppelsinniges und dunkles Wort; alle Auslegungen aber stimmen doch darin überein, dass es etwas für unser Wesen Notwendiges bedeutet, nicht, was immer das Herz begehren mag, sondern das Notwendige; es bedeutet eigentlich das, „was zur Erhaltung unseres Wesens gehört“. — Wir fragen jetzt den, der „mit Gott rechten“ will: „Hast du nicht bis auf den heutigen Tag alles empfangen, was zur Erhaltung deines Wesens notwendig war? Und wenn du nicht alles nach der Berechnung, die du dir über deinen irdischen Lebensweg machtest, empfangen hast, so hast du doch alles bekommen, was dir am heilsamsten ist. Oder weißt du, wie viel Züchtigung durch Armut und Sorge du für das ewige Wohl deiner Seele nötig hast?“

 

Doch hier könnte uns ein Christ, der nicht nur arm, sondern auch verschuldet ist, antworten: Es gibt einen anderen Umstand, dem gegenüber alle Armut ein Nichts ist, nämlich dass ich den Menschen schuldig werde und vielleicht nicht einem jeden das Seine zurückerstatten kann, so dass ich „im Munde des Lästerers ein Lied zur Schmach des Evangeliums werden könnte“. Antwort: Sofern du nicht eine besondere Neigung zum Hochmut hast, die einer Demütigung bedarf, und sofern du nicht „den Herrn versuchst“ entweder durch Versäumnis und Leichtsinn oder durch Eitelkeit und Verschwendung Seiner Gaben, sondern dafür ordentlich, demütig, fleißig und treu in deinem Beruf bist und in einfältigem Glauben diese Bitte betest, dann hast du alle Verheißungen und Versicherungen des Herrn dafür, dass Er dir soviel geben wird, dass du nicht als Betrüger zuschanden zu werden brauchst, sondern jedem das Seine wirst zurückerstatten können. Nur der Umstand, dass wir den Herrn mit Leichtsinn und Üppigkeit versuchen oder auch in Hochmut leben, kann jene bittere Erfahrung über einen Christen bringen, die so unendlich viel schwerer als alle Armut ist. Was ferner das betrifft, dass manches Kind Gottes aus Gründen einer Krankheit oder wegen anderer Umstände sich nicht immer selber versorgen kann, sondern sich an die Barmherzigkeit der Brüder wenden muss, so ist dies für unsere stolze Natur demütigend. Es gehört aber für eine gewisse Zeit auch zur Erziehung des Herrn mit Seinen Kindern, bis sie genügend zubereitet sind, um einige Gaben Gottes ertragen zu können; und es muss stets mit Gottesfurcht und demütiger Unterwerfung vor dem Herrn, dem allein weisen und allmächtigen Vater, betrachtet werden, dessen rechte Hand alles ändern kann.

 

Die vierte Bitte enthält aber auch eine Lehre für die Glücklichen, die nichts von der Sorge um ihr Auskommen wissen und scheinbar der Bitte um das tägliche Brot nicht bedürfen. Es sind zwei Wörter, die wir besonders bedenken sollten, zwei Wörter, die ein und dasselbe andeuten: „unser“ und „uns“. Haben wir Christi Sinn, dann müssten wir diese Worte bedenken. Er sagt nicht: „Gib mir mein täglich Brot“, sondern Er sagt: „Unser täglich Brot gib uns.“ Meinst du, dass Gott dir so vieles Gute gibt, damit du nur nach deinem Gefallen davon leben oder damit du nur Schätze für deine Kinder ansammeln sollst?

 

Wie spricht der Herr? „Tue Rechnung von deinem Haushalten; denn du kannst hinfort nicht mehr Haushalter sein.“

 

Hast du jemals darüber nachgedacht, weshalb Gott hier auf Erden so ungleich austeilt, so dass einer so reich ist, ein anderer aber so arm ist, dass er auch das Notwendige nicht hat? Das Geheimnis dieser wundersamen und ungleichen Austeilung kann kein anderes sein, als dass wir verschiedene Pflichten haben. Diejenigen, die mehr erhalten haben als sie benötigen, sollen unseres Herrn „Haushalter“ sein, die Seine Gaben für Ihn verwalten sollen. Dann will Er eine Schar Armer sich um sie her lagern lassen, um sie täglich zu prüfen, ob sie als Seine Haushalter Seine Gaben durch das Austeilen ehrlich verwalten wollen oder ob sie das Pfund in die Erde vergraben und daraus Götzen für sich und ihre Kinder machen wollen. Möchten wir nie vergessen: „Welchem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen, und welchem viel befohlen (anvertraut) ist, von dem wird man viel fordern.“ Noch immer gilt das königliche Gebot: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ Vergiss darum nicht, dass es um dich her viele Arme, Kranke, Schwache, Gebrechliche gibt, die allesamt ihre Hände nach Brot ausstrecken. Darum sollst du in dieser Bitte für alle Menschen beten und nicht denken „mir, mein“, sondern „uns, unser“. Aber du darfst nicht wie ein Schalk beten, so dass du im Gebet „unser“ sagst, sodann aber mit dem, was du empfängst, so handelst, als ob es dein wäre. Wir sind nur Verwalter. Und das sollen wir mit Lust sein, um Christi Liebe willen, so dass Er von dem Guten, das wir taten, sagen kann: „Das habt ihr Mir getan.“

 

Wenn wir ferner wissen, dass der Ausdruck „täglich Brot“ nicht nur Speise und Kleidung bezeichnet, sondern alles, was zu des Leibes Nahrung und Notdurft gehört, wie Haus und Hof, Geld und Gut, fromm Gemahl, fromme Kinder, fromm Gesinde, fromme und getreue Oberherren, gut Regiment, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn u. desgl., so wird es keinem wiedergeborenen Christen, der nicht nur sich selber lebt, sondern auch seinen Nächsten liebt, an Veranlassung fehlen, diese Bitte zu beten.

 

Außerdem kann der Herr plötzlich das Gute von dir nehmen, das du jetzt hast, weshalb du stets allen Grund hast, um Seine bewahrende Gnade oder um ein tägliches Geben, ein „täglich Brot“ zu bitten.

 

In dieser Weise seine beständige Abhängigkeit vom Herrn zu fühlen, ist einem wiedergeborenen Christen sehr heilsam.

 

Nimm alle Sorg’ und wirf sie hin

 

Auf den, der dich gemacht.

Entnommen aus dem Buch von Mag. Olof Rosenius – ‘‘Tägliches Seelenbrot‘‘

(herausgegeben von LUTH. MISSIONSVEREIN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V. http://www.rosenius.de)