Der alte Mann und der gute Hirte (Johannes 10).

 

Rolf Müller.

 

Schafe gelten im allgemeinen Sprachgebrauch als nicht besonders intelligent. Die Bezeichnung „Dummes Schaf!“ ist zum geflügelten Wort geworden. Auch der alte Mann möchte normalerweise nicht gern als Schaf bezeichnet werden. Warum benutzt der Herr Jesus dann das Bild vom Hirten und seiner Herde in Johannes 10?

Wenn der Herr das Bild vom  guten Hirten gebraucht, dann ist das keinesfalls abwertend gemeint. Der gute Hirte schützt seine Schafe. Die Schafe sind auf den Hirten angewiesen. Der alte Mann findet diesen Vergleich treffend. Der Herr sagt damit nicht, dass wir dumme Schafe sind. Wer zum guten Hirten gehört, ist niemals der Dumme.

Dem guten Hirten können wir vertrauen. Bei ihm sind wir geborgen. Der alte Mann ist froh, dass der Hirte seine Schafe kennt. Er kennt jedes mit Namen. Der gute Hirte weiß, was wir fühlen, wenn wir morgens aufstehen. Er weiß, was uns bewegt, wenn wir abends zu Bett gehen. Er weiß, wovor wir uns fürchten. Er weiß, worüber wir uns freuen und was uns glücklich macht. Er stärkt die Schwachen und richtet die Niedergeschlagenen auf. Der gute Hirte verbindet die Wunden seiner Schafe.

Das ist einer der Gründe, warum sich der alte Mann gerne dem guten Hirten anvertraut. Die Schafe kennen den Hirten. Sie hören auf seine Stimme. In unserer Welt und Zeit gibt es ja viele unterschiedliche Stimmen. Für den alten Mann ist es manchmal fast ein richtiges Stimmengewirr. Viele dieser Stimmen sind verführerisch. Sie bieten sich als Wegweiser an, aber sie wissen den Weg nicht.

Der Herr Jesus nennt solche Leute Mietlinge. Ihnen liegt nichts am Wohl der Schafe. Sie sind „Schönwetterhirten“. Wenn es gefährlich wird, wenn der Wolf kommt, lassen sie die Schafe im Stich. Der gute Hirte macht sich nicht aus dem Staub, wenn es brenzlig wird. Er findet in jeder Lage den besten Weg,  seine Schafe zu schützen. Er führt sie auf grüne Auen und zum frischen Wasser. Er sucht das Verlorene und holt es zurück.

Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Sie sind sein Eigentum. Er bewahrt sie vor den Angriffen der Wölfe. Das ist für den alten Mann Grund genug, sich dem guten Hirten völlig anzuvertrauen. Er weiß sich in seiner Hand geborgen. Niemand kann ihn der Hand des guten Hirten entreißen. Er hält uns fest, aber er erdrückt uns nicht. Er erfüllt unser Leben. In ihm sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen.

Bei Jesus Christus bekommt der alte Mann Lebensraum. Es ist also gar nicht so dumm, ein Schaf des guten Hirten zu sein! Im Gegenteil! Drei Gründe sprechen dafür, dem Herrn Jesus nachzufolgen: Der gute Hirte kennt uns, wir kennen ihn, und wir sind in seiner Hand.

 

Weil ich Jesu Schäflein bin,         

freu ich mich nur immerhin

über meinen guten Hirten,

der mich wohl weiß zu bewirten,

der mich liebet, der mich kennt

und bei meinem Namen nennt.

 

Unter seinem sanften Stab

geh ich ein und aus und hab

unaussprechlich süße Weide,

dass ich keinen Mangel leide;

und so oft ich durstig bin,

führt er mich zum Brunnquell

hin.

 

Sollt ich denn nicht fröhlich sein,

ich beglücktes Schäfelein?

Denn nach diesen schönen Tagen

werd ich endlich heimgetragen

in des Hirten Arm und Schoß:

Wahrlich, ja, mein Glück ist groß!

 

(Henriette Marie Luise von Hayn).