C.O. Rosenius

Gottes Wort lesen und es im Alltag auch anwenden 

 

Da Petrus noch redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die dem Wort zuhörten.

- Apg. 10, 44

 

Der Geist kommt nicht unmittelbar, unsere Seelen zu pflegen, — dazu ist erforderlich, die Gnadenmittel anzuwenden, — das Wort — das Wort und die Sakramente! Willst du den Geist, Sein Werk und Seine Gaben in deinem Herzen haben, so gehe zum Wort, zum Wort des Geistes, lies es, höre es, schreibe es, rede und singe es unter Gebet um den Geist — und sieh, Er wird nicht ausbleiben! Es gibt hier und da Menschen, die immer nur denken, ja, um den Geist und das Werk des Geistes seufzen und flehen, Ihn aber nie erhalten, nie in Wahrheit zur Kraft, nie zum Glauben, zum Frieden, zur Liebe, Gewissheit und Festigkeit gelangen, sondern beständig in demselben krankhaften Arbeiten, Seufzen und Streben verbleiben. — Und sieh, schließlich entdeckt man, dass sie das Wort nicht üben, dass sie nur mit sich selber arbeiten, nur denken und seufzen, das Wort aber nicht anwenden. Wie soll es dann möglich sein, dass bei ihnen Göttliches und Geistliches entstehen könnte? Der Apostel Paulus sagt ausdrücklich Gal. 3, 5, dass der Geist nur durch die Predigt vom Glauben empfangen wird! Und Apg. 10 lesen wir, dass, während „Petrus noch redete, der Heilige Geist auf alle fiel, die dem Wort zuhörten“. Was hatten sie denn dazu getan? Sie saßen still da und hörten dem Worte zu, und so kam der Geist in ihr Herz, so kamen Reue, Glaube, Liebe, Leben und Kraft, so dass sie ganz neue Menschen wurden.

 

Darum übe das Wort! Das ist die ganze Kunst und das ganze Geheimnis des Entstehens, der Stärkung, des Wachstums und der Bewahrung des geistlichen Lebens. Die Meinung einiger Einfältigen ist keineswegs wahr, dass der oder jener Christ jetzt so fest und gekräftigt in der Gnade sei, dass er aus diesem Grunde so leben und glauben könne, wie er es tut. Wenn er Glauben und Leben als ein Werk des Geistes und nicht nur der Natur hat, dann rührt es nicht von seiner Festigkeit und Stärke her, dass er so glauben und leben kann, sondern nur daher, weil er seine Seele fleißig mit dem Göttlichen, mit dem Worte nährt. Versäumt er dies, so beginnt die alte Natur sich sogleich zu erheben, und das wirklich Geistliche fängt an abzusterben. Ja, besuche ihn eines Tages, wenn er längere Zeit hindurch das Wort versäumt hat, und du wirst ihn wenig geistlich finden. Halten sein Glaube und Friede sich trotzdem ohne das Wort, so sind sie nicht des Geistes Werk. Kurz: Nur durch das Wort Gottes verbleibt der Geist Gottes wohnend und wirkend im Menschen.

 

Und trotzdem — beachte — erhalten nicht alle, die Gottes Wort lesen, auch Geist und Leben daraus. Tausende gebrauchen das Wort, und es entsteht doch kein Geist in ihnen. Tausende Schriftgelehrte und Pharisäer unter uns beweisen es. Was ist darum erforderlich? Es ist erforderlich, beim Gebrauch des Wortes sich dessen zu erinnern, dass es noch in der Hand Gottes liegt, ob wir Kraft aus dem Worte empfangen; es ist erforderlich, mit dem Worte umzugehen in der Gesinnung, die diese Erinnerung wirken sollte — ja, mit der Demut, der Furcht, dem Gehorsam und dem Glauben, die sich vor dem heiligen Angesicht Gottes geziemen, wenn Er redet. Beachte darum! Es steht in der Hand Gottes und Seinem freien Wohlgefallen, ob Er dir Teilhaftigkeit des Geistes geben will. „Wir sind nicht tüchtig von uns selber, etwas zu denken“ — viel weniger zu glauben, zu wachen, würdig zu wandeln, ein rechtes Verständnis der Wahrheit sowie deren Kraft am Herzen und am Gewissen zu bewahren; alles ist vergeblich, wenn nicht der Heilige Geist es wirkt — alles ist vergeblich ohne die Teilhaftigkeit des Heiligen Geistes.

 

Dieses zu bedenken und zu beachten, ist höchst notwendig für jeden Christen, auch wenn wir in allem Frieden und aller Ruhe leben, auf dass wir nicht bei all unserer Erkenntnis und der Übung des Wortes als inwendig tot erfunden werden möchten. Aber wie vielmehr ist es dann notwendig, wenn wir im Gegenteil mitten im gefährlichsten Feindeslande, in einem beständigen Krieg leben. Ja, hierzu kommt, dass besonders diese Zeit eine merkwürdig gefährliche Zeit ist, indem sowohl böse als auch gute Mächte in einer merklichen Bewegung sind und Erweckungen und Verwirrungen, Bekehrungen und Abfälle miteinander wetteifern. Darum ist es wohl notwendig, dass wir offene Augen haben und uns ganz dicht an den Hirten und Bischof unserer Seele klammern, dass wir uns fleißig und streng an das Wort halten und besonders den gesegneten Grundartikel von Christus und Seinem Werk klar, rein und unverfälscht erhalten.

 

Es ist notwendig, dass wir ganz arm und einfältig im Glauben sind und das „Neue Lied“ uns nimmer alt, lang und ausgesungen erscheint, dass wir gegen uns selber und den Herrn aufrichtig sind, alle unsere Gedanken, Worte und Werke nach Seinem heiligen Willen richten und wissen, dass der Herr nahe ist. Es ist wohl notwendig, dass wir mehr und mehr suchen, unsere Feinde und Gefahren, ja alle Schleichwege zu verstehen, wodurch der listige Feind unserem geistlichen und ewigen Leben beizukommen sucht — und endlich, dass wir oft, teils allein, teils mit- und füreinander beten, und vor allen Dingen immer wieder um die Teilhaftigkeit des Heiligen Geistes bitten. Dazu ermahnen uns Christus und die Apostel; es ist höchst notwendig.

 

Dir sei nun Dank, Herr Jesu Christ,

Stets für Dein teures Wort,

Das Wort, das meine Leuchte ist

In Not, bald hier, bald dort.

Das Wort bringt Frieden ja mit sich

Und Trost und Seligkeit,

An Deinem Worte halt ich mich

 

In Zeit und Ewigkeit.

 

Aus ‘‘Tägliches Seelenbrot‘‘ 21.01. von Carl Olaf Rosenius

(herausgegeben von LUTH. MISSIONSVEREIN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V. http://www.rosenius.de)