Kenne ich meinen Herrn Jesus und SEIN Wort wirklich?

Nicht, dass ich es schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei.  Phil. 3, 12

  

Dr. Swebelius sagt: „Das Gesetz ist von Natur einigermaßen erkannt, das Evangelium aber ist ein Geheimnis, das aller Vernunft verborgen ist.“

Dr. Luther sagt: „Das Evangelium ist der Christen allerschwerste Kunst und höchste Weisheit, worin sie ihr ganzes Leben lang Schüler verbleiben; aber doch widerfährt demselben eben die leidige Plage, dass keine Kunst leichter und so bald ausgelernt zu sein scheint als diese, dass, wenn jemand es einmal gehört oder gelesen hat, wähnt er gleich, Meister und Doktor darin zu sein, und will nun etwas anderes, etwas Neues hören.“

 

Solche eingebildeten Vollgelehrten sollten sich darin wiedererkennen, dass sie nicht oft an das Evangelium denken und nicht bedenken, wie sie Gott und den, den Er gesandt hat, sowie die großen Geheimnisse der Versöhnung immer besser kennenlernen könnten.

 

Auch trachten sie nicht danach, etwas davon zu hören oder zu lesen und dabei Gott um das Licht des Geistes zu bitten, sondern im Gegenteil, wenn etwas recht Evangelisches vorkommt, dann warten sie mit einer gewissen Ungeduld auf den Schluss, um etwas anderes zu erhalten.

 

Solche pflegen auch zu denken und zu sprechen: „Wohl weiß ich, was ich glauben soll, wohl kenne ich die Gnade Gottes, sie ist ein für allemal gegeben, mit dieser Sache ist alles wohl und gut. Aber wie wir sein und was wir tun sollen, daran gibt es genügend zu denken, da fehlt es immer, lasst uns etwas davon hören.“

 

Nun kommen sie gerade deshalb nie zum rechten Tun, zur rechten Lust und Kraft, weil sie nie das kennenlernen, was ihnen vor allen Dingen fehlt, nämlich das Leben, die rechte Bekehrung und der rechte Glaube.

 

Sie empfinden nicht, wie ganz verloren es mit uns und unserem Tun ist; sie sind nie recht an sich selber verzweifelt. Auch haben sie nicht erfahren, was der Glaube besagen will oder was der Glaube und die Gnade wirken; sonst würden sie nicht sagen, dass sie genug davon hätten.

 

 

Dann würden sie, wie das Wort und die Erfahrung lehren, eher denken: Wenn ich nur Gott und Seine Gnade kenne, dann wird wohl Lust und Kraft zum Guten folgen, wie Johannes sagt: „Wer nicht liebhat, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe.“

 

Kennten sie Gott, will er sagen, dann würden sie wohl lieben, ja brennend werden vor Liebe und Gottesfurcht. Denn Gott ist eine so große und brennende Liebe, dass niemand Ihn kennen kann, ohne von Ihm zur Liebe entzündet zu werden.

 

Und die Liebe ist die Mutter aller guten Werke, die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung.

 

Kurz: Diejenigen, welche wähnen, das Evangelium genügend erfasst zu haben, haben noch nicht die ersten Buchstaben gelernt.

 

Der Apostel sagt: „So sich jemand dünken lässt, er wisse etwas, der weiß noch nichts, wie er wissen soll.“ Dies ist besonders auf die Erkenntnis des Evangeliums anwendbar.

 

Es enthält doch viele Dinge, die mancher nicht zu glauben vermag.

 

Wem es leicht wird, es zu glauben, der sieht gewiss nicht, was es enthält.

 

Zwar meint er, es zu sehen, und er meint es so bestimmt, dass er tausend Eide darauf schwören wollte, aber sein ganzes Wesen leugnet es. Luther sagt sehr wahr: „Wer sowohl recht fassen als auch glauben könnte, was das Evangelium enthält, der würde nicht mehr hier auf Erden leben können, sondern vor überaus großer Freude sterben mögen.“ Wahrlich, man würde nicht so kalt, so starr und ungeistlich sein, wie jene ausgelernten und satten Geister es sind. Es würde nicht so schwerfallen, Christus zu folgen, Christus zu lieben, Ihn zu bekennen und Ihm zu dienen, zu leiden und zu entsagen, wenn man das recht glaubte, was das Evangelium enthält.

 

Aber hier ist eine der Hauptursachen, weshalb viele, obwohl sie immer lernen, doch nie zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Jesus sprach: „Niemand kennt den Vater, denn nur der Sohn und wem es der Sohn will offenbaren.“ Wenn der Sohn es einem Menschen nicht offenbaren will, dann ist alles für denselben vergeblich. Eben vorher hatte Christus gesagt, welchen Er es nicht offenbaren wollte: „Du hast solches den Weisen und den Klugen verborgen“, d.h. denjenigen, die meinen, dass sie nur durch ihr Studieren das Evangelium begreifen können. Viele hören und lesen das Evangelium wie eine weltliche Wissenschaft, ohne sich dabei vor Gott zu beugen; Ihm aber hat es gefallen, es solchen zu verbergen.

 

„Ja, Vater, denn es ist also wohlgefällig vor Dir.“ - Paulus war wohl ein Meister, das Evangelium richtig und deutlich zu erklären und auszulegen; aber er meinte nicht, dass es für das Volk genug sei, wenn es nur seine Predigten hörte und seine Briefe las, sondern er sah alles noch so ganz von der „Offenbarung Gottes“, von „Seinem Mitteilen des Geistes der Weisheit und der Offenbarung“ abhängen, dass er Gott unausgesetzt für seine Gemeinden anrief.

 

Es gibt Menschen, die nie nötig haben, Gott so anzurufen und sich vor Ihm zu beugen, die auch nicht fleißig und angelegentlich im Worte Gottes nach der Erkenntnis des Evangeliums suchen, sondern schon genug im Voraus wissen; während doch die größten Heiligen und Glaubenshelden trotz ihres vielen Studierens und Betens bekannt haben, dass sie es noch nicht vollkommen ergriffen hätten, vielmehr demselben nachtrachteten.

 

Wie hängt dies alles zusammen?

 

Ja, wie anders, als dass diese Ausgelernten, die alles genügend zu verstehen meinen, vom Teufel bezaubert, blind und tot sind und jetzt erst die ersten Buchstaben lernen müssen. Möchten sie das beizeiten bedenken!

 

 

Wie schwer ist’s auszulernen,

Was hier auf Erden ist;

Im Nahen und im Fernen,

Was ihr Gelehrten wisst!

Doch ist nicht auszugründen,

Wie schwer die Schule fällt,

Das edle Nichts zu finden,

Das Nichts, das Gott erwählt.

Entnommen aus dem Buch von Mag. Olof Rosenius – ‘‘Tägliches Seelenbrot‘‘

(herausgegeben von LUTH. MISSIONSVEREIN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V. http://www.rosenius.de)