"O du fröhliche, o du selige,

gnadenbringende Weihnachtszeit..."

Jubel in bitteren Jahren

 

Es ist eines der bekanntesten Lieder der Christenheit und wird fast überall auf der Welt gesungen, wo es Christen gibt:  "O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit..." Die freudige Grundstimmung dieses Liedes verbirgt die Schwere der Situation, in der Johannes Daniel Falk es vor knapp 200 Jahren geschrieben hat.

 

Geboren wurde Johannes Daniel Falk 1768 in Danzig als Sohn eines Perückenmachers. Schon mit 10 Jahren musste er die damalige Volksschule verlassen und in der Werkstatt seines Vaters Ratsherrenzöpfe pudern. Für Johannes, der gerne las, ging das gegen seine innere Natur. Warum musste sein Vater ausgerechnet Perückenmacher sein! Wenn er doch wenigstens Buchbinder gewesen wäre. Doch es ließ sich nicht ändern, er musste Tag für Tag mit Perücken umgehen. Die Arbeit wurde mehr und mehr zur Qual für ihn. Der wissenshungrige Junge verbitterte, und nur der Gedanke an seine liebe Mutter, die ihm gerne geholfen hätte, was der Vater jedoch verhinderte, hielt ihn noch zu Hause.

 

Mahnendes Wort zum Abschied

Den Ratsherren, die in die Werkstatt des Vaters kamen, blieb die Begabung des Jungen nicht verborgen. Sie schlugen dem Perückenmacher vor, seinen Sohn studieren zu lassen. Aber der Vater wollte davon nichts wissen. Als die Herren ihren Vorschlag ständig wiederholten, wurde er doch nachdenklich. Eines Tages erschien auch der Pastor von St. Petri in der Werkstatt und erklärte: "Meister Falk, wir brauchen für Gottes Reich Männer mit guten Gaben. Dein Johannes ist wie geschaffen, die Botschaft vom Gericht und der Gnade Gottes zu verkündigen. Die Ratsherren der Stadt Danzig sind bereit, ihm eine Freistelle an der Petrischule zu geben und auch für sein Studium zu sorgen!" Diese Mitteilung rührte den Meister so, dass er seinen Sohn endlich ziehen ließ.

 

In der Stadt gab es nun keinen glücklicheren Jungen als Johannes Daniel Falk. Er lernte so eifrig, dass er seinen Mitschülern immer ein Stück voraus war. Nach dem erfolgreichen Schulabschluss wurde er von den Ratsherren der Stadt Danzig zum Studium nach Halle an der Saale mit den Worten verabschiedet: "Wohin Gott Dich auch führen mag und was auch Deines Lebens künftige Bestimmung sei: Vergiss nie, dass Du ein armer Junge warst. Und wenn dereinst ein armes Kind an Deine Tür klopft, so denke, wir sind's, die alten Bürgermeister und Ratsherren, die anklopfen, und weise uns nicht von Deiner Tür!"

 

Den Seelenfrieden verloren

Im Verlauf seines Studiums bildete sich ein Fach besonders heraus, dem seine Liebe galt: die Dichtkunst. Johannes Daniel Falk verfasste Gedichte und hatte Erfolg damit. Nur die Freunde, die er durch seine Dichtkunst gewann, waren nicht die besten. Sie verführten ihn zu einem leichtfertigen Leben. Die Folge war, dass er seinen Glauben und damit seinen Seelenfrieden verlor. Gleichzeitig schwand auch seine Lust am Lernen.

 

Sehnsucht nach Sinnerfüllung

Nach seinem Studium ging Johannes Daniel Falk nach Weimar, wo Goethe und Schiller lebten. Die Dichterfürsten nahmen ihn freundlich auf, aber die Sehnsucht nach einer Sinnerfüllung seines Lebens blieb. Er merkte, dass diese Sehnsucht nicht von Menschen gestillt werden konnte. Er musste an seine Mutter denken, die in allen Lebenslagen so getrost war. Er kannte auch den Grund dafür: Es war ihr Glaube an Jesus Christus. Dieser Glaube hatte ihn ja selbst einmal getragen, bis er sich von seinen sogenannten Freunden vom Weg hatte abbringen lassen. In diesem Augenblick beugte sich der Dichter Johannes Daniel Falk, gab sein Versagen vor Gott zu und gelobte, in Zukunft nach dem Gebot Christi zu leben.

 

Keine Angst vor dem Tod

Der so gereifte Mann wurde vielen in dem schwer leidenden Weimar zur Hilfe. Nach der verlorenen Schlacht von Jena sorgte er dafür, dass die Menschen in der Stadt wieder zu geordneten Verhältnissen kamen. Über diese Tat war der Herzog so erfreut, dass er ihm aus Dankbarkeit den Titel eines Geheimrates verlieh. Die Ehrung machte den ehemaligen Perückenmacher aber nicht stolz, sondern eher demütiger. Besonders viel zu tun bekam Geheimrat Falk, als vor der Schlacht bei Leipzig 20.000 Mann Kriegsvolk unter dem Herzog von Ragusa durch das Weimarer Land zogen. Sie schreckten vor keinem Mord zurück. Überall, wo die Not am größten war, war auch der "gütige Herr Rat" zu finden, wie er vom Volk genannt wurde. Unbewaffnet, im weiten Überrock stellte er sich zwischen die streitenden Parteien, ohne auf Schüsse und Schläge zu achten. "Wenn ich auch Familie habe", so pflegte er zu sagen, "fürchte ich den Tod nicht. Wenn ich auf rechtem Wege bin, dann bin ich des Herrn, ob ich lebe oder sterbe."

 

Kaum war die Kriegsnot vorüber, zog die Pest durch das Land. Besonders hart wurde in Weimar das Haus des Geheimrates Falk getroffen. Von sechs blühenden Kindern waren innerhalb kurzer Zeit vier von der furchtbaren Krankheit dahingerafft. Als es den Eltern wieder einmal sehr schwer ums Herz war, klopfte es an der Haustür. Da die Hausfrau mit keinem Fremden reden wollte, ging der Geheimrat nach draußen. Da stand ein kleiner zerlumpter Junge vor ihm, wie es zu der Zeit viele gab. Ihre Eltern waren entweder im Krieg oder an der schrecklichen Krankheit gestorben. Der Kleine hatte Hunger und niemanden, der für ihn sorgte. Er fragte an, ob er vielleicht bei den Falks bleiben dürfe. Der Geheimrat sah seine Frau fragend an. Sie schüttelte den Kopf, es war ihr zu schwer. Aber die Augen des Jungen blickten so bittend. Und mit einem Mal kam dem Geheimrat Falk das Wort der Ratsherren von Danzig in den Sinn, dazu das Wort von Jesus Christus: Wer ein Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf." Obwohl Mutter Falk seufzte, als sie das hörte, ging sie doch und holte Kleider und Spielsachen von ihren verstorbenen Kindern.

 

Der "gütige Herr Rat"

Als unter den Kindern auf der Landstraße bekannt wurde, dass der "gütige Herr Rat" einen Jungen aufgenommen habe, hörte das Klopfen an der Falkschen Haustüre nicht mehr auf. Solange Platz war, wurde jedes Kind aufgenommen. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend waren der Geheimrat und seine Frau für die fremden Kinder tätig. Da legte sich eines Tages ihre Tochter Angelika ins Bett und starb. Und dann wurde auch noch der letzte Sohn, ein reichbegabter Student, auf den der Vater große Hoffnungen gesetzt hatte, krank und starb: "Ach Herr", seufzte der Geheimrat, "warum nimmst Du mir alle meine eigenen Kinder, und die fremden führst Du mir unablässig ins Haus?"

 

Der "Lutherhof" für Waisen

Die Kraft, um den großen Schmerz tragen zu können, holten sich die Falks im Gebet. Mehrmals am Tag knieten sie nieder und riefen zu ihrem Gott. Schließlich konnten sie die Liebe, die sie so gerne ihren eigenen Kindern gegeben hätten, den fremden schenken. Sie gründeten ein Waisenheim, den "Lutherhof" zu Weimar. Dann stand Weihnachten 1819 vor der Tür. Vater und Mutter Falk hätten sich am liebsten allein auf den Friedhof gesetzt und weinend an die schönen Weihnachtsfeste gedacht, als die eigenen Kinder noch durchs Haus jubelten. Aber dazu war keine Zeit. Es war, als ob der Heiland sagte: "Jetzt sorge vor allem dafür, dass die Kinder, die ich Dir schickte, ein fröhliches Weihnachten haben!" Das tat Vater Falk dann auch. Er ging auf einmal sinnend umher und versuchte seit langer Zeit wieder zu dichten. Seine Kinderschar sollte ein eigenes Weihnachtslied haben. Ein fröhliches Weihnachtslied! Und am Heiligen Abend sangen die armen Kinder von der Landstraße jubelnd im Chor:

 

O du fröhliche, o du selige

gnadenbringe Weihnachtszeit!

Welt ging verloren, Christ ist geboren,

Freue, freue dich o Christenheit!

Text von Erich Schmidt-Schell