Lebst du in dieser Erwartung,
dass der Herr bald wiederkommt?

Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen und unterweist uns, ... dass wir warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilandes Jesus Christus Tit.2,11–13

 

„Die Wiederkunft des Herrn ist nahe“, sagt der Apostel Jakobus.

 

Was kann wohl die Ursache davon sein, dass der Gedanke an die Wiederkunft des Herrn uns so wenig beschäftigt?

Was kann die Ursache dafür sein, dass dieser Gedanke, der unter viel geringeren äußeren Umständen bei den ersten Christen doch so lebhaft, so gegenwärtig und allgemein war, bei den Zeichen der Zeit in unseren Tagen uns so fremd, ja fast ganz aus unseren Herzen verschwunden ist?

 

Wir leugnen nicht, dass wir ganz allgemein bei der Lehre von der Wiederkunft des Herrn als einem Glaubensartikel bleiben.

 

Daraus folgt aber nicht, dass wir diese Ankunft Christi auch zu unserer Hoffnung haben.

 

Die Frage ist nämlich nicht: „Glaubst du, dass der Herr kommen wird?“, sondern: „Lebst du in der Hoffnung, in einer wirklichen Erwartung Seiner Wiederkunft?“ Auf diese Frage können nicht viele unter uns mit einem Ja antworten. Wäre es so, dass alle Gläubigen in der Hoffnung und der Erwartung der Wiederkunft des Herrn wandelten, dann würde diese Hoffnung sich auch mehr in unseren Predigten, unseren Gesprächen, unserem ganzen Leben kundtun - dann würden sich nicht allerlei Glaubensbekenntnisse und oft unbiblische Lehren über die Zukunft der Kirche Jesu Christi oder über die Frage nach unseren Entschlafenen unter uns einschleichen können.

 

Aber kommen wir wieder auf die Frage: Was kann die Ursache davon sein, dass der Gedanke an die Wiederkunft des Herrn uns so fremd, ja beinahe unwillkommen ist, während er in den Herzen der ersten Christen so lebhaft, lieb und gegenwärtig war? Es ist dies sicherlich kein gutes Zeichen. Jede Hoffnung setzt einen Wunsch voraus, jeder Wunsch aber hat seine Wurzel in dem, was man liebt. Wünschten wir und sehnten wir uns wirklich nach dem Tag der Wiederkunft des Herrn, wo alles Dunkel im Glauben, alle Schwachheit, alle Sünde und alle Untreue gegen unseren Heiland ein Ende haben und wir Ihn ergreifen werden, wie wir von Ihm ergriffen wurden, Ihn sehen, wie Er ist, und Ihm gleich sein werden - wünschten wir diese Seine Offenbarung mehr, dann würden wir auch alle Verheißungen, die es für die selige Hoffnung dieses erwünschten Tages gibt, aufsuchen und mit Freuden umfassen.

Wären wir demnach mehr geistlich gesinnt, liebten wir unseren Heiland mehr und strebten wir mehr nach dem, wonach die Liebe immer strebt — nämlich: ganz mit Ihm vereinigt zu werden —, dann würden wir auch mehr in der Hoffnung leben!

 

Diejenigen, die das Wort Gottes mit größerem Ernste zu Herzen nehmen, die mehr in der Übung der Buße zu Gott und des Glaubens an unseren Herrn Jesus Christus stehen, so dass der Geist der Gottesfurcht stündlich über ihr ganzes Wesen wacht, die Sünde also nicht unbestraft bleibt, sondern schmerzlich gefühlt wird — wobei auch die Gnade in Christus umso köstlicher wird, durch die Sünde aber auch vor ihren Blicken verdeckt und verborgen ist —, sie haben in der seligen Hoffnung auf die herrliche Wiederkunft unseres Herrn Christus eine liebe Betrachtung, eine lebendige Hoffnung. Sie blicken mit inniger Sehnsucht dem Tage entgegen, an dem der dicke Nebel, der hier ihren Glauben umgab, auf ewig von der Herrlichkeit des Herrn zerteilt sein wird. Sie warten auf den Tag, an dem sie den Freund und Heiland sehen werden, an den sie hier glaubten, mit dem sie redeten und von dem sie, ohne Ihn zu sehen, begleitet wurden und an dem sie endlich einst auf ewig das genießen werden, was sie hier vergebens suchten — nämlich eine vollkommene Klarheit, eine volle Gewissheit, eine fühlbare Nähe des Heilandes —, an dem sie außerdem auf ewig von dem bösen Fleisch, das hier immer so viele Sünden, Schwachheiten und Anfechtungen mit sich brachte, und von den feurigen Pfeilen des argen Feindes befreit sein werden.

 

Wären wir der Welt und diesem Gegenwärtigen mehr abgestorben und hätten wir unser Leben und unsere Freude in Gott allein, sicherlich wäre dies dann eine selige Hoffnung für unser Herz. Wo das Herz aber geteilt, wo es auch von irdischen Dingen eingenommen ist, da kann die Sehnsucht nach dem himmlischen Bräutigam nicht Eingang finden. Und dies Leben kann weder recht heilsam noch gesund sein, da es nicht mit dem Wort der Schrift und dem Sinn der ersten Christen übereinstimmt. „Unser Wandel ist im Himmel“, sagt Paulus,