Die falschen Wege der Nachfolge

Carl Olof Rosenius

Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber Meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund Meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer. Jes.54,10

 

Wem soll ich in Bezug auf Gott mehr glauben als Gott dem Herrn selber?“, sagt Ambrosius.

 

Es ist in Wahrheit ein unglücklicher Umstand, dass bei allen Menschen, auch bei den erweckten und gläubigen, eine starke Neigung vorhanden ist, nach inneren Gefühlen, nach eigenem Dünken und eigener Vernunft über die Seligkeit zu urteilen, über das Verhältnis Gottes zu uns nach dem zu urteilen, was wir in uns selber erfahren oder vernehmen. Man will nicht zu Gott empor sehen, wie Er Seinen Willen und Rat zu unserer vollen Seligkeit offenbart hat, und auch nicht darüber nachdenken, was bei Gott beschlossen ist und wie es in Seinen Ratschlüssen geschrieben steht, sondern vertieft sich stattdessen in sich selber, ängstigt sich, seufzt und fragt gleichsam ins Ungewisse hinein: „Ach dass ich wüsste, wie es mit der Sache meiner Seele vor Gott steht! Wie kann ich es wohl in dieser Weise mit einiger Gewissheit erfahren? Welche Gewissheit kann ich aus meinen eigenen Gedanken, meinem Denken und meinen Gefühlen erhalten?“ Das eine Mal scheint es mir, dass Gott eitel Gnade und Liebe ist, das andere Mal meine ich, dass Er ein gestrenger Richter ist, der nur mit Gesetz und Recht umgeht. Das eine Mal sehe ich Gott in allem, was mich umgibt, das andere Mal scheint es mir, dass es keinen Gott gibt. Das eine Mal halte ich mich für einen ganz guten Christen, das andere Mal für einen ganz hilflosen Sünder. So schwanken und wenden sich Meinung und Gefühl hin und her; und was ich das eine Mal meine, kann ebenso falsch sein wie das, was ich das andere Mal denke.

 

Gerade diese Neigung, nach eigenem Dünken zu urteilen, bewirkt auch, dass so unzählig viele den Weg zur Seligkeit verfehlen. Dem einen scheint es, dass Gott an diesem, dem anderen, dass Er an etwas anderem Gefallen habe. So wählt jeder seinen eigenen Weg, fühlt dabei vielleicht etwas Liebliches in seinem Herzen und urteilt dann gleich, dass dies ein guter Weg sei, dem er folgt. So will der eine mit einigen äußeren Werken des Gesetzes Gott wohl gefallen und für sich gewinnen, wie z.B. mit Werken der Barmherzigkeit, mit Kirchgang usw., ein anderer mit einigen inneren, wie z.B. mit Demut, Liebe usw., ein dritter mit Entsagung, Gebet, Alleinsein, ein vierter mit religiöser Wirksamkeit vor den Menschen, ein fünfter mit all diesen Stücken zusammen.

 

Was aber ist die Ursache von all diesen falschen Pfaden, die die Menschen nach eigenem Belieben erwählen?

 

Sicherlich nichts anderes, als dass sie weder wissen noch bedenken, was Gott schon von Ewigkeit her in Seinem himmlischen Rat über die Seligkeit der gefallenen Menschen beschlossen hat und welchen Bund Er mit Seinem Sohne geschlossen und welches Testament Er den Menschen errichtet hat. Wir reden jetzt nicht von denen, die etwa mit heuchlerischem und falschem Sinn ihr Heil zu suchen vergessen oder mit eingebildetem Glauben „die Gnade unseres Gottes auf Mutwillen ziehen“.

 

Wir reden vielmehr von denen, die wirklich die Seligkeit suchen, jedoch auf falschem Wege. Das geschieht, wenn du zwar die Seligkeit richtig allein durch den Glauben, den Glauben aber bei dir selber suchst, zu glauben dir vornimmst und dich mühst, mit deinem Herzen arbeitest und ringst, um es zum Glauben zu bringen. Dein Auge richtest du aber nur auf dich oder auf das, was du erfährst und fühlst, um zu merken, ob noch Glaube vorhanden ist oder nicht, bekommst aber keine Gewissheit, sondern schwankst hin und her.

 

Was glaubst du dann, was die Ursache dazu ist?

 

Wahrlich nichts anderes, als dass du an der unrechten Stelle, in der Luft - nämlich bei dir selber - das suchst, was nie da gefunden wird, sondern was in der Ratssitzung des Himmels zu suchen war und was uns im Worte Gottes offenbart ist. Beachte! Der Glaube wird nicht dadurch entzündet, dass man zu glauben sich vornimmt und abmüht, sondern dadurch, dass wir unsere Augen von uns wegwenden, weg von dem, was wir haben, fühlen und sind, und sie auf das richten, was Gott über unsere Seligkeit beschlossen und offenbart hat.

 

Du hast zu glauben dich bemüht und hast Gott um Gnade angerufen, hast aber noch nie Glauben oder Frieden empfangen und wunderst dich nun darüber, was daran wohl die Ursache sein mag.

 

Wundere dich nicht!

 

Du hast vielleicht noch nie gewusst, erforscht oder bedacht, was in dem großen Rat beschlossen wurde, den Gott im Himmel über die Sache der Menschen hielt, ehe der Welt Grund gelegt war.

 

Du hast vielleicht nie gewusst oder bedacht, welchen Bund Gott dazumal mit Seinem Sohne schloss und welches Testament Er für den Menschen machte.

 

Wie notwendig ist es, dies recht kennenzulernen und sich in Zukunft allein danach zu richten, allein darauf zu bauen!

 

Dann nämlich stehe ich auf einem festen Grund, einem im Leben und im Tode bestehenden Grund, denn es ist ein ewiger Grund.

 

Er wurde tiefer und früher als die Grundfesten der Erde gelegt. „Gott hat uns in Ihm (Christus) erwählt, ehe der Grund der Erde gelegt war.“ Er besteht auch länger als der Grund der Erde. Denn „es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber Meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund Meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.“

 

Ja, außer mir, in Christo, ist meine Seligkeit,

Mein Trost und meine Ruhe in Zeit und Ewigkeit.

Dem Herrn sei dafür Lob und Preis und Ehre!

 

Aus dem ‘‘Täglichen Seelenbrot‘‘ von Olaf Rosenius

(herausgegeben von LUTH. MISSIONSVEREIN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V. http://www.rosenius.de)