Eleonore Fürstin von Reuß (1835-1903)

 

Eleonore Fürstin von Reuß wurde 1835 in Gedern am Vogelsberg als Gräfin zu Stolberg-Wernigerode geboren.

Sie lebte in Jänkendorf in Schlesien.
1903 verstarb Eleonore Fürstin von Reuß in Ilsenburg im Harz.

1.    Das Jahr geht still zu Ende

2.    Es ist vollbracht! Das Leben ist erfüllt

3.    Ich bin durch die Welt gegangen

 

Biographie

 

Nach dem Verlust des Vaters und des ältesten Bruders wurde E. in Ilsenburg und im großväterlichen Hause in Wernigerode ganz im pietistischen Sinne erzogen. Hier wurzelt ihre lebenslange Neigung zum protestantischen Kirchenlied. Abgesehen von wenigen Prosaschriften, unter anderem den Lebensbildern von Friederike Gräfin von Reden (2 Bände, 1888, ²1897) und A. von Thadden-Trieglaff (1890, ²1894), die sich ganz im Sinne der Verbreitung der Bibel, der Erbauung der Gläubigen und einer lebendigen christlichen Liebestätigkeit widmeten, bevorzugte sie immer wieder die religiöse Erbauungslyrik. Diese, dem gefühlsbetonten Gedankengut der pietistischen Erweckungsbewegung ihrer Zeit stark verpflichtet, trug während ihrer glücklichen Ehe in Jänkendorf (Schlesien) besonders reiche Frucht. In einzelnen Liedern gelang ihr Zeitlos-Gültiges; so lebt ihr Name vor allem fort in dem Choral „Das Jahr geht still zu Ende“, den die erst 22jährige auf den Tod der Freundin Marie von Nathusius schrieb.

 

Das Jahr geht still zu Ende - Ihr Jahresschlusslied dichtete sie zwischen Weihnachten und Neujahr 1858 unter dem Eindruck des unerwarteten Todes ihrer Freundin, der Schriftstellerin Maria Nathusius (1817-1858). 

 

Ihr Vater, Graf Hermann zu Stolberg-Wernigerode, starb, als sie sechs Jahre alt war. Trotzdem hat Eleonore ihre Kindheit in Ilsenburg am Harz, wo die Familie seit 1838 das Schloß bewohnte, immer als besonders glücklich in Erinnerung behalten. Dabei war die Beziehung zu Marie Nathusius von prägender Bedeutung, und zwar sowohl im Blick auf ihre christlich-soziale Einstellung als auch im Blick auf ihre schriftstellerische Berufung. Marie Nathusius war die Frau des Begründers der Anstalten der Inneren Mission im nahe gelegenen Neinstedt. Sie war aber auch Schriftstellerin. Die junge Gräfin zu Stolberg-Wernigerode nahm sie zum Vorbild für die Hauptfigur ihrer Erzählung „Das Baragekleid“ (1854), in der sie die Begegnung von Theodora mit einem sehr viel älteren Grafen Walther schildert. Diese Erzählung fiel in die Hände des verwitweten Fürsten Heinrich LXXIV. Reuss, jüngere Linie, der sich daraufhin um die Bekanntschaft mit der jungen Frau bemühte. Im Winter 1855 verlobte sich Eleonore mit dem 37 Jahre älteren Fürsten. Sie folgte ihm auf dessen heimatliches Gut Jänkendorf, nicht weit von Niesky in der schlesischen Oberlausitz gelegen.

 

Ganz ohne Spannungen verlief das Leben in der neuen Umgebung nicht. Die Kinder des Fürsten aus erster Ehe fühlten sich durch die Hinwendung des Vaters zu seiner jungen Frau zurückgesetzt. Die Erbberechtigung blieb ihnen aber erhalten. Dies bedeutete, daß Eleonore und ihre Kinder von der Erbfolge ausgeschlossen waren. Eleonore selbst hat über die folgenden 31 Ehejahre einmal gesagt: „In Jänkendorf wurden Kinder und Lieder geboren.“

 

Kurz vor Weihnachten 1857 starb Marie Nathusius. Für Eleonore war das ein großer Verlust. Ihrer Trauer und ihrem Gottvertrauen gab sie Ausdruck in dem Silvesterlied „Das Jahr geht still zu Ende, nun sei auch still, mein Herz“, gesungen nach der Melodie „Befiehl du deine Wege“. Durch Aufnahme in das Schlesische Gesangbuch fand es weite Verbreitung. Noch heute gehört es (im Evangelischen Gesangbuch Nr. 63) zu den bekanntesten Kirchenliedern zum Jahreswechsel.

 

1876 starb Helene, eines von den fünf Kindern aus der Ehe von Eleonore und Heinrich LXXIV. Reuss, im Alter von elf Jahren. Diesen Schicksalsschlag nahm Eleonore zum Anlaß, sich in Zukunft verstärkt um die Jänkendorfer Kinder zu kümmern. Jede Wöchnerin erhielt eine Erstausstattung an Windeln und Kinderkleidung. Der Kirchengemeinde schenkte sie ein altes Knechtshaus mit der Auflage, es in eine Kleinkinderschule, eine Vorform unserer heutigen Kindergärten, umzubauen. Als Erzieherinnen wurden Diakonissen aus Biesnitz bei Görlitz verpflichtet. In der Schule von Jänkendorf richtete sie jährliche Weihnachtsfeiern mit einer Bescherung für die Schuljugend ein. Traugott Bachmann, später ein bekannter Missionar der Herrnhuter Brüdergemeine, hat darüber in seinen Lebenserinnerungen berichtet und festgehalten: „Diese Weihnachtsfeiern in der Schule von Jänkendorf sind der hellste Lichtblick meiner Kinderzeit.“

 

Anläßlich der Silberhochzeit rief das Ehepaar Reuss eine Brautbibelstiftung ins Leben, aus der jede Braut in Jänkendorf zur Hochzeit eine Bibel geschenkt bekam. Zu den großen Festen auf dem Schloß wurde das ganze Dorf eingeladen. Bedürftige konnten sich aus einer im Schloß eingerichteten Suppenküche täglich eine warme Mahlzeit abholen.

 

Während sich der Fürst in der Schlesischen Genossenschaft des Johanniterordens engagierte, lag die Pflege der Patronatsverpflichtungen gegenüber der Kirchengemeinde und den Gemeindepfarrern weitgehend in den Händen der Fürstin. Die sonntäglich genutzte Loge in der Ullersdorfer Kirche ist heute noch zu besichtigen. Zugleich ist es sicher kein Zufall, daß zu den Gästen des Ehepaares Reuss auch die Erbauungsschriftstellerin und Gründerin der oberschlesischen Diakonissenschwesternschaft Friedenshort, Eva von Tiele-Winckler (1866-1930), gehört hat.

 

1886 starb Fürst Reuss und fand sein heute noch vorhandenes Grab in Jänkendorf. Eleonore zog sich indes nach Ilsenburg, nunmehr ihr Witwensitz, zurück. Jänkendorf hat sie nie mehr besucht. Sie veröffentlichte weiterhin christliche Gedichte und Lieder, aber auch Biographisches. Ihre Lieder waren vor allem im Pietismus beziehungsweise in der Gemeinschaftsbewegung geschätzt. Gern gesungen wurden: Ich bin durch die Welt gegangen, Heimgehen, selig werden, o wunderbares Wort!“, Es ist vollbracht! Das Leiden ist erfüllt, Es geht so leicht durchs Erdenleben und Nun hab ich dich, hier hast du mich. In Ilsenburg ist Eleonore Fürstin von Reuss im Alter von 68 Jahren gestorben und unter großer Beteiligung der Bevölkerung auch beigesetzt worden.

 

Nachtrag

 

Zur Jahreswende 1854/55 lernte die 20- jährige Eleonore den 37 Jahre älteren verwitweten Fürst Heinrich LXXIV. Reuß kennen. Die Heirat fand am 13. September 1855 und sie zieht nach Jänkendorf, in die Oberlausitz. In der Folgezeit widmet sie sich besonders der Unterstützung Bedürftiger und Armer, sie gründet eigens eine Suppenküche, eine Kleinkinderschule und kümmert sich um die Schulausbildung der Dorfkinder. Sie leistet aktive Sozialarbeit. In die Jänkendorfer Zeit fällt auch die Hauptperiode ihres literarischen Schaffens. Sie schreibt überwiegend Gedichte (insgesamt werden 3 Gedichtsbände veröffentlicht) und religiöse Lieder, die teilweise noch heute im evangelischen Gesangbuch zu finden sind. Aus der Ehe mit Fürst Heinrich LXXIV. sind 5 Kinder hervorgegangen, bemerkenswert, ihr jüngster Sohn Heinrich XXXI. (geboren 1868) führt später den ’’Titel Prinz von Hohenleuben’’. Im Jahr 1886 stirbt ihr Mann und sie geht zurück in den Harz nach Ilsenburg. Hier setzt sie ihr soziales Engagement fort. Am 18. September 1903 stirbt Eleonore Fürstin Reuß, beigesetzt ist sie auf dem Friedhof in Wernigerode.