Das Wort sie sollen lassen stahn

 

Rolf Müller

 

Das Fundament, auf dem die Christen stehen, ist das Wort Gottes. Auf diesen Grund ist Verlass. Wenn dieser Grund verloren geht, versinkt der christliche Glaube in die Bedeutungslosigkeit.

Der alte Mann war vor einiger Zeit auf der „Wartburg“ bei Eisenach. Dort konnte man die „Lutherstube“ besichtigen, in der Martin Luther das Neue Testament in nur 10 Wochen vom Griechischen ins Deutsche übersetzte. Das war eine gewaltige Leistung und ein Segen für das deutsche Volk.

Das Wort sie sollen lassen stahn! Diese Zeile aus dem Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ von Martin Luther ist heute leider keine Selbstverständlichkeit mehr. Das Wort Gottes wird nicht mehr stehen gelassen. Es wird verändert, angepasst, weichgespült, verbogen, verachtet, ins Gegenteil verkehrt und angezweifelt.

Wer sich in der heutigen Zeit auf die Autorität und Zuverlässigkeit der Bibel beruft, gilt als Außenseiter. Der wird als einfältig und töricht eingestuft. Er wird als Fundamentalist auf eine Stufe mit gewaltbereiten Islamisten gestellt.

Ein freikirchlicher Theologieprofessor hat in einer Zeitschrift über die Bibel folgende Feststellung getroffen:

"Die Bibel selber korrigiert und revidiert sich immer wieder. Wenn jemand die Bibel wörtlich nimmt, dann ist das ein Zeichen von Borniertheit und Verstocktheit. Der steht dem Aberglauben näher als der Theologie. Wer die Texte der Bibel als von Gott inspiriert und irrtumslos bezeichnet, betreibt üblen theologischen Schwindel. Es ist gotteslästerlich, der Bibel Unfehlbarkeit zu unterstellen. Damit würde man Gott für alle Bosheit verantwortlich machen, die in seinem Namen in der Bibel geschehen ist. Man würde einen Psychopathen mit Persönlichkeitsspaltung verehren; einen Gott, der zwischen ungezügeltem Mord – und Rachedurst, der auch vor Frauen, Kindern und Tieren keinen Halt macht.

Aber gottlob sind die von den Israeliten vollzogenen Vernichtungsorgien gar nicht geschehen. Von einer Eroberung Kanaans durch Israel kann keine Rede sein. Orte wie Jericho und Ai waren längst zerstört und unbewohnt, als die Israeliten sie militärisch erobert haben sollen.

Die Mauern von Jericho konnten gar nicht einstürzen, weil es in dieser Stadt gar keine Mauern gab, die das „Musikkorps“ der israelischen Armee zum Einsturz hätte bringen können.

Auch im Neuen Testament geht keines der Evangelien auf einen Apostel zurück. Sechs der sieben Paulusbriefe stammen gar nicht von Paulus selbst, sondern von späteren Schülern.

Darum dürfen wir als Theologinnen und Theologen die Bibel nicht allein den theologischen Laien überlassen, deren manchmal schlichte Schrifterkenntnis einer Ideologisierung der Bibel Tür und Tor öffnen und in die Tyrannis der Unmündigen münde