Der alte Mann und der Rabe

 

Rolf Müller

 

In vielen christlichen Gemeinden scheut man sich, bestimmte Texte der Bibel zum Thema zu machen. Der alte Mann könnte jetzt viele konkrete Beispiele anführen. Es handelt sich unter anderem um den Anspruch Jesu Christi, der einzige Weg zum Heil zu sein. Es geht darum, dass die Bibel homosexuelle Praktiken ablehnt. Es geht um das Verbot, Frauen in der christlichen Gemeinde in eine leitende Führungsposition zu berufen. Es handelt sich um die Anerkennung der Bibel als das unvergängliche Wort Gottes und Maßstab für alle Menschen.

 

Es wird von einigen sogenannten Theologen viel Fleiß und Mühe aufgewandt, die Aussagen der Bibel ungültig zu machen und ins Gegenteil zu verkehren. Man behauptet, viele Religionen seien ein Weg zum Heil. Vor allem im Islam glaube man an den gleichen Gott wie die Bibel.

Man behauptet, Homosexualität sei eine Schöpfungsvariante und stehe unter dem Segen Gottes.

Man behauptet, die Kirche wäre ohne Frauen in Führungs- und Leitungspositionen arm dran.

Man leugnet, dass die Bibel das Wort des lebendigen Gottes ist. Man behauptet, die Bibel sei Menschenwort, das an einigen Stellen Gottes Wort enthalte. Welche Stellen das sind, darüber sind sich die Theologen selber nicht einig.

 

Wenn der alte Mann solche Dinge anspricht, wird er als ein kritiksüchtiger Störenfried und Querulant abgetan. Das will man nicht hören. Aber der alte Rabe krächzt nicht ohne Grund. (Eine russische Weisheit).

 

Die christliche Freiheit wird heute so weit gefasst, dass man Gottes Gebote nicht mehr ernst nehmen muss. Sünde ist salonfähig geworden. Es hat eine Akzentverschiebung stattgefunden. Soll man das sprachlos hinnehmen oder muss man darauf aufmerksam machen? Soll man das unter den Teppich kehren oder auf den Tisch legen? Der alte Rabe krächzt nicht ohne Grund.

 

Gebietet die christliche Liebe, den Mantel des Schweigens über Missstände zu breiten, damit man es mit niemand verdirbt? Oder darf man Klartext reden, auch wenn das nicht allen gefällt? Hilfreiche Medizin schmeckt manchmal auch bitter.

Heute ist man in kirchlichen Kreisen bemüht, im Namen der Liebe in anderen Religionen Gemeinsamkeiten zu suchen, die es nicht gibt. Wer auf das erste Gebot hinweist, ist ein Störenfried. Der alte Rabe krächzt nicht ohne Grund. Die Unterschiede zwischen Islam und Christentum werden verwischt.

Es gibt nur den einen wahren Gott. Daran kann auch eine multikulturell angepasste Kirche nichts ändern. Dem alten Mann fällt eine seltsame Orientierungslosigkeit der Kirchen auf. Das kommt in verschiedenen Verlautbarungen der Kirchenleitungen zum Ausdruck. Sie bieten  ein Podium für alles und nichts. Sie verbreiten oft sehr einfallsreich Einfallslosigkeiten. Sie verschließen die Ohren vor der Wahrheit und geben Spekulationen Raum. Sie sind mit geistlicher Blindheit geschlagen. Der alte Rabe krächzt nicht ohne Grund.

 

Evangelische Bischöfe sagen, die Homo-Ehe könne christlich begründet werden. Der Glaube an Christus schließe die Vielfalt religiöser Erfahrungen nicht aus. Man müsse andere Religionen als Partner in der offenen Gesellschaft annehmen. Der christliche Glaube freue sich über das, was in anderen Religionen als ein Ausdruck wahren Menschseins erkennbar sei.

Der alte Mann versteht, dass hier ökumenisch im Sinn der Gleichwertigkeit aller Religionen argumentiert wird. Stattdessen müsste aber Jesus Christus als das Fundament in die Mitte gestellt werden. Davon hat sich die Kirche weitgehend entfernt. Der alte Rabe krächzt nicht ohne Grund.

 

Natürlich gibt es auch noch vereinzelte Lichtblicke. Der alte Mann kennt Pfarrer, die Brüder in Jesus Christus sind. Aber es werden immer weniger.

Als Folge, weil sich die Kirche vom Wort Gottes entfernt, wird sie empfänglich für Irrlehren aller Art. Was soll man zu „Gender-Lehrstühlen“ der Kirche sagen? Ist das zukunftweisend oder pseudowissen-schaftliches Gequatsche? Dient es dem geistlichen Wachstum der Kirche oder ist es selbstzerstörerisch?

„Die christliche Kirche hat sich enorm ausgebreitet. Sie ist jetzt tausend Kilometer breit, hat aber nur noch einen halben Zentimeter Tiefgang.“

Die Kirche hat sich vom neutestamentlichen Christentum entfernt. Sie ist von menschlichen Leitern abhängig, nicht mehr von Gott. Es wird nur noch wenig in der Bibel gelesen. Die Lehre wird nicht mehr anhand der Bibel geprüft. Es macht sich Bibelkritik breit. Organisation wird wichtiger als die persönliche Beziehung zu Jesus Christus. Das Programm wird wichtiger als die Verkündigung des Evangeliums.

 

Dem alten Mann wäre es lieb, wenn der alte Rabe keinen Grund zum Krächzen hätte. Es wäre ihm lieber, wenn der alte Rabe mit wohlklingender Stimme liebliche Melodien singen würde. Da müsste allerdings vorher im geistlichen Bereich eine radikale Umkehr und eine vollständige Hinwendung zu Jesus Christus erfolgen. Bis dahin krächzt der alte Rabe nicht ohne Grund.

 

Eins ist not, ach Herr, dies Eine

lehre mich erkennen doch;

alles andre, wies auch scheine,

ist ja nur ein schweres Joch,

darunter das Herze sich naget und plaget

und dennoch kein wahres Vergnügen erjaget.  

Erlang ich dies Eine, das alles ersetzt, 

so werd ich mit einem in allem ergötzt.

  

Aller Weisheit höchste Fülle 

in dir ja verborgen liegt.  

Gib nur, dass sich auch mein Wille

fein in solche Schranken fügt,

worinnen die Demut und Einfalt regieret

und mich zu der Weisheit, die himmlisch ist, führet.

Ach, wenn ich nur Jesus recht kenne und weiß,

so hab ich der Weisheit vollkommenen Preis.

 

Drum auch, Jesus, du alleine

sollst mein Ein und Alles sein.

Prüf, erfahre, wie ich`s  meine,  

tilge allen Heuchelschein.

Sieh, ob ich auf bösem, betrüglichem Stege,

und leite mich, Höchster, auf ewigem Wege;

gib, dass ich nichts achte, nicht Leben noch Tod,

und Jesus gewinne, dies Eine ist not.

 

(Johann Heinrich Schröder).