Der alte Mann

und die Grablegung Jesu

 

Rolf Müller

 

Jesus neigte das Haupt und verschied. Er hatte ausgelitten, Die gaffende Menge hatte sich zerstreut. Die Kriegswache wartete auf ihre Ablösung. Auch Johannes war als Augenzeuge noch zurückgeblieben.

 

Um drei Uhr war Jesus verschieden. Um sechs Uhr fing der Sabbat an. Bis dahin mussten die Gehenkten beseitigt sein. Die Obersten der Juden baten Pilatus, dass die Gebeine der Gekreuzigten zerbrochen werden durften, damit sie noch vor Beginn des Sabbats  verscharrt werden konnten. Die Verurteilten durften erst nach dem wirklich eingetretenen Tod vom Kreuz genommen werden.

 

„Als sie aber zu Jesus kamen, da sie sahen, dass er schon gestorben war, brachen sie ihm die Beine nicht.“ Um gewiss zu sein, dass Jesus wirklich tot war, „öffnete einer der Kriegsknechte seine Seite mit einem Speer, und alsbald ging Blut und Wasser heraus.“

 

Die Kriegsknechte hätten das Recht gehabt, den Leichnam Jesu wie die beiden anderen vom Kreuz zu nehmen und zu verscharren. Aber dazu kam es nicht. Gott hatte es anders bestimmt. Joseph von Arimathia, ein heimlicher Jünger Jesu, bekam die Erlaubnis, Jesu Leichnam vom Kreuz zu nehmen. Nikodemus brachte Aloe und Myrrhe. Der Leichnam Jesu wurde in Josephs Familiengruft bestattet. Das Grab wurde mit einem großen schweren Stein verschlossen.

 

Es war ein Garten, in dem Jesus ruhte. Es war ein Felsengrab. Es war ein neues Grab, in dem noch nie jemand gelegen hatte. Jesus wurde begraben, um die Wirklichkeit seines Todes zu bestätigen. Er wurde begraben, um wieder aufzustehen und sich als Herr über die Lebenden und die Toten zu erweisen. „Gekreuzigt, gestorben und begraben.“ Er wurde begraben, nicht verbrannt.

 

Wir Menschen haben von Natur aus nicht nur eine gewisse Furcht vor dem Tod, sondern auch vor dem Grab. Der alte Mann hat schon so manchem Begräbnis beigewohnt. Einmal wird auch er begraben werden. Jeder Abschied ist schwer.

 

Aber über den Gräbern der Christen leuchtet die Hoffnung. Christus hat dem Tod die Macht genommen. Er ist die Auferstehung und das Leben. Wer an ihn glaubt, wird leben, ob er gleich stürbe. Wer lebt und an den Herrn Jesus glaubt, wird nimmermehr sterben. Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben. Das Sterben ist uns Gewinn, weil Christus uns das Leben ist. Der Löwe aus Juda hat überwunden. Der Tod ist besiegt. Niemand sucht mehr den Lebenden bei den Toten. Niemand schmückt das Grab Jesu mit Blumen. Niemand kümmert sich um die Grabpflege. Niemand legt Kränze nieder. Das Grab ist leer.

 

Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken,

mich in das Meer der Liebe zu versenken,

die dich bewog, von aller Schuld des Bösen

uns zu erlösen.

 

Vereint mit Gott, ein Mensch gleich uns auf Erden

und bis zum Tod am Kreuz gehorsam werden,

an unsrer statt gemartert und zerschlagen,

die Sünde tragen:

 

Welch wundervoll hochheiliges Geschäfte!

Sinn ich ihm nach, so zagen meine Kräfte,

mein Herz erbebt; ich seh und ich empfinde

den Fluch der Sünde.

 

Gott ist gerecht, ein Rächer alles Bösen;

Gott ist die Lieb und lässt die Welt erlösen.

Dies kann mein Geist mit Schrecken und Entzücken

am Kreuz erblicken.

 

Seh ich dein Kreuz den Klugen dieser Erden

ein Ärgernis und eine Torheit werden;

so sei´s doch mir, trotz allen frechen Spottes

die Weisheit Gottes.

 

Wenn endlich, Herr, mich meine Sünden kränken,

so lass dein Kreuz mir wieder Ruhe schenken.

Dein Kreuz, dies sei, wenn ich den Tod einst leide,

mir Fried und Freude.

 

(Christoph Fürchtegott Gellert)