Opferung Isaaks (1. Mose  22, 1-18)

 

Rolf Müller

 

Was auf den ersten Blick wie ein skandalöses Kinderopfer aussieht, ist eine prophetische Vorschattung des Opfers Jesu am Kreuz. Ein Opfer tut weh. Man gibt das Liebste her. Gott gibt nicht nur, er nimmt auch. Gott erwartet und fordert. Gott ist manchmal ein geheimnisvoller und fremder Gott. Für Abraham ist es eine schmerzliche Erfahrung.

 

Dem Glaubenden wird alles genommen.

 

Der alte Mann erschrickt, wenn er hört: Nimm deinen einzigen Sohn, den du lieb hast und opfere ihn als Brandopfer! Ist das noch Gott?  Er fordert hier unmögliches von Abraham.  Darf das Gott? Wie wahnsinnig oder wie fanatisch muss man sein, um eine solche Forderung zu erfüllen?

 

Abraham ist weder wahnsinnig noch fanatisch. Was er hier auf Befehl seines Gottes hin unternimmt, geschieht mit nüchterner Überlegung und bei klarem Verstand. Gott ist der Auftraggeber. Er bringt (nicht zwingt) einen Mann dazu, sein eigenes Fleisch und Blut dranzugeben.

 

Jahrzehntelang hatten Abraham und seine Frau auf dieses Kind warten müssen. Und eben dieses Kind verlangt Gott jetzt. Das kann doch nicht wahr sein! Dem Glaubenden wird alles genommen!

 

Sicher, es gibt viele Eltern, denen Gott die Kinder nimmt, den einzigen Sohn, die einzige Tochter. Wie schwer werden manche Menschen von Gott geprüft!

 

Mit Isaak verband sich die Verheißung Gottes. Durch ihn sollten alle Geschlechter gesegnet werden. Er war die Erfüllung der Zusage Gottes. Bricht Gott sein Wort? Soll mit Isaak die Verheißung Gottes  sterben? Darf Gott alles machen? Dieses Handeln Gottes erscheint unserem Verstand widersinnig. Wir möchten rufen: Nur das nicht! Hier wird Gott dunkel bis zur Unkenntlichkeit. Ist das noch Gott? Dem Glaubenden wird alles genommen. Gott erscheint hartherzig und unbegreiflich.

 

Solche Anfechtung erfährt in ihrer ganzen Wucht nur der Gläubige. Der Ungläubige kommt über vieles im Leben leichter hinweg. Solche Anfechtung ist ein Zeichen, dass Glauben vorhanden ist. Gott versuchte Abraham. Abrahams Glaube bestand die Prüfung. Wenn einen Gott mit Anfechtung verschont, ist das schlimmer als zehn Anfechtungen (Luther). Die Anfechtung ist das harte Glück der Glaubenden und der Hoffenden. Wenn Versuchung beim Glaubenden für immer ausbliebe, wäre das beunruhigend. Keine Versuchung haben, wäre die größte Anfechtung. Jakobus spricht es aus: Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet!

 

Wir können uns wohl kaum vorstellen, welche Ängste und welche Qualen Abraham durchgemacht hat. Gott prüft den Glauben Abrahams auf seine Bereitschaft, zu gehorchen. Dem Glaubenden wird alles genommen. Gott will prüfen, ob Abrahams Glaube konsequent und kompromisslos ist.

 

Auch unser Glaube muss verbindlich sein. Nachfolge ist nicht immer Wandeln auf sonnigen Höhen. Christentum ist Opfer, ist Hergeben. Gott nimmt manchmal Hab und Gut, Vater und Mutter, den Ehepartner, das Kind, immer aber unser eigenes ICH.

 

Abraham geht einen Weg des inneren Zerbruchs. Gott kann zerbrechen. Er hat mich zerbrochen um und um (Hiob 19,10).

 

Nachfolge und Zerbruch gehören zusammen. Abraham stellt sich seinem Gott. Hier bin ich! Dem Glaubenden wird alles genommen.

 

Dem Glaubenden bleibt nur Gott.

 

Gott prüft den inneren Stand seiner Kinder, auch unseren. Wir werden nach unserem Gehorsam gefragt. Glauben und Gehorsam sind Zwillinge. Der Heilige Geist wirkt beides, es wächst nicht auf unserem Mist. Der Heilige Geist wirkt in den Angefochtenen den Glaubensgehorsam. Das ist kein Jubel-Evangelium für eine Spaßgesellschaft.

 

Heute geht es in vielen Gemeinden ums Wohlfühlen und um vergnügliche Erlebnisse. Aber wir werden uns schwerlich immer wohlfühlen, wenn wir dem heiligen Gott begegnen. Die Gegenwart Gottes deckt unsere Sünde auf. Da geht es um Zerbruch. Das passt gar nicht in das Spektrum heutiger Verkündigung. Gott zerbricht letztlich alles Oberflächliche und alles Überflüssige. Das ist der Preis der Nachfolge.

 

Abraham hat sich die schwere Seite des Glaubens und die Härte  des Gehorsams nicht ausgesucht. Ihm war klar, dass Gott zerbrechen kann wen und wann er immer will. Aber er hält seine Kinder fest, er zerbröselt sie nicht. Dem Glaubenden bleibt nur Gott!

 

Gewiss denkt Abraham auf dem Weg zur Opferung an den Tod Isaaks. Sein Sohn wird nicht mehr existieren und ein zweites Mal wird Sara nicht gebären. Wunder vertragen keine Wiederholung. Dem Glaubenden bleibt nur Gott! Gottes Treue bleibt, und damit bleibt die Hoffnung. Wenn Abraham seinen Knechten sagt: Bleibt hier mit dem Esel. Ich will mit dem Knaben dorthin gehen und anbeten! dann spricht daraus ein ganz neues Verständnis von Anbetung. Wenn wir die heutige Form der Anbetung damit vergleichen, werden wir beschämt. Wir verstehen unter Anbetung oft eine ekstatische Stimmung, die sich immer weiter hochschaukelt und wo nicht der Herr, sondern der Mensch im Mittelpunkt steht. Abraham opfert seinen einzigen Sohn, den er lieb hat und nennt das Anbetung.

 

Dem Glaubenden bleibt nur Gott. Der ist unsere Zuflucht für und für. Wir wissen nicht, ob Abraham in dieser schweren Situation an die Auferstehung der Toten dachte. Aber so sieht es der Hebräerbrief: Durch Glauben hat Abraham, als er versucht wurde, den Isaak dargebracht, indem er urteilte, dass Gott auch aus den Toten erwecken könne (Hebräer 11, 17/19).

 

Vor Abraham stand eine dunkle, undurchlässige Wand. Aber er wusste, dass Gott in dieser Wand war. Wenn ich nichts sehe, Gott ist in dem Nichts. Ich sehe ihn nicht, aber er ist bei mir. Dem Glaubenden bleibt nur Gott. Gott wird sich ein Opferlamm ersehen. Abraham und Isaak gingen miteinander. Isaak trug da Holz. Irgendwo auf dem Weg fragte er seinen Vater. Er hatte schon viele Opfer gesehen. Er brauchte kein Abitur um zu merken, dass die Hauptsache fehlte: das Opfer. Wo war das Schaf?

 

Die beiden gingen miteinander. An der von Gott bestimmten Stelle baute Abraham einen Altar und legte das Holz darauf und bindet Isaak. Seltsam! Der lässt sich binden. Er war doch kein kleines Kind mehr. Es wird nichts von einem Kampf berichtet. Isaak ordnete sich willentlich seinem Vater unter. Er lässt sich ohne Widerstand binden.

 

Der Vater legt seinen Sohn aufs Holz. Isaak ist fest gebunden, hilflos. Er hat keine Möglichkeit, sich selbst zu befreien. Abraham ergreift das Messer. Er erhebt die Hand. Das ist sein einziger Sohn. Dem Glaubenden bleibt nur Gott!

 

Und Gott ist da. Abraham! Abraham! Nun weiß ich, dass du Gott fürchtest! Nun weiß ich, dass dein Glaube verbindlich ist. Du bist zu Konsequenzen bereit. Und jetzt tut Gott seine Hand auf.

 

Dem Glaubenden schenkt Gott alles.

 

Gott greift ein. Da hebt Abraham seine Augen auf, sieht ein Opfertier in den Dornen hängen, geht hin und wechselt es aus als Brandopfer an seines Sohnes statt.

 

Es ist nicht Abrahams Leistung, dass er durchhielt in der Glaubensprobe. Es ist Gottes Gnade. Gott ist im Grunde ein gebender Gott, der gerne schenkt. Gott ist groß im Nehmen, aber noch größer im Geben. Dem Glaubenden schenkt Gott alles.

 

Die Parallelen zum Opfer Jesu am Kreuz liegen auf der Hand. Gott schenkt seinen Kindern in Christus alles. Den Sündenabgrund zwischen Gott und uns konnte ein Isaak nicht überbrücken. Da bedurfte es eines ganz anderen Opfers. Da konnte Gott nicht im letzten Augenblick Halt! rufen. Dieses Opfer wurde vollzogen bis zum bitteren Ende - das Opfer des Vaters, der den Sohn hingibt.

 

Gott hat seines eigenen Sohnes nicht verschont, um uns Vergebung und Erlösung zu schenken. Isaaks Opferung nimmt prophetisch den Karfreitag vorweg. Dem Glaubenden schenkt Gott alles. Dem ist nichts hinzuzufügen. Christus ist unser Leben.

 

Dem Glaubenden nimmt Gott alles.

Dem Glaubenden bleibt nur Gott.

 

Dem Glaubenden schenkt Gott alles.